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Alle Artikel zu England und dem Vereinigten Königreich auf einen Blick
Thema: England und Großbritannien
Z.Zt. sind ca. 420 Artikel zu England und Großbritannien in 5 Rubriken in dieser Datenbank erfaßt. So finden Sie in Standard die Hauptartikel zu Britannia, in Hintergrund die Informationen der Hauptartikel im europäischen oder geschichtlichen Zusammenhang und mit größerer Detaillierung, in Biografie die Kurzbiografien der in Standard und Hintergrund angesprochenen handelnden Personen, in Kommentar zukünftig meine subjektive Bewertungen und Anmerkungen und in Sonstiges Detailinformationen zu Dynastien, Schauplätzen, Dokumenten und vielem anderen mehr.

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17.07.2001; Robert Morten

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Titel:Die Geschichte Großbritanniens
Untertitel:1707 - 2001
kat:Standard
subkat:Geschichte
subsubkat: 
aufmacher:Das Königreich Großbritannien entstand im Jahr 1707 durch die Vereinigung des englischen und schottischen Parlaments (siehe Act of Union: Vereinigung Englands und Schottlands - folgt).
text:1. Die Vereinigung mit Schottland

England, einschließlich des im 14. Jahrhundert annektierten und im 16. Jahrhundert per Gesetz an England angeschlossenen Fürstentums Wales, und Schottland waren seit dem frühen Mittelalter getrennte Königreiche. Ab 1603, nach dem Tod von Königin Elisabeth I., wurden beide Länder in Personalunion vom selben König regiert, erhielten jedoch erst 1707 eine gemeinsame gesetzgebende Versammlung. London wurde zur Hauptstadt des gesamten Inselreiches. Damit verfügte Großbritannien von nun an nicht nur über ein gemeinsames Parlament, sondern auch über ein gemeinsames, landesweites Verwaltungssystem, einheitliche Besteuerung und ein einheitliches Maß- und Gewichtssystem. Alle Zollgrenzen innerhalb des Landes wurden aufgehoben. England und Schottland behielten jedoch weiterhin getrennte Gerichtssysteme und Staatskirchen, die presbyterianische Kirche in Schottland und die anglikanische Kirche in England und Wales.

1997 sprach sich die Bevölkerung Schottlands und Wales jedoch in einem Referendum jeweils für größere Souveränität aus. In Schottland wurde die Einführung eines eigenen Parlaments beschlossen. Es wird über begrenzte Steuerhoheit verfügen und mit Befugnissen in den Bereichen Kommunalverwaltung, Gesundheit und Soziales, Wohnungsbau und Verkehr, Landwirtschaft sowie Sport und Kultur ausgestattet sein. Die ersten Wahlen zum schottischen Parlament sollen 1999 stattfinden. In Wales votierte lediglich eine knappe Mehrheit für ein Regionalparlament, das keine eigenen Gesetze verabschieden, sondern vor allem das Ministerium in Wales kontrollieren wird, das es auch in den Bereichen der Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungspolitik beraten wird. Wales wird weiterhin 38 Abgeordnete ins britische Unterhaus entsenden.
Zur Geschichte Großbritanniens vor 1707 siehe Britannien, in der Frühgeschichte; England; Schottland; Wales.

1.1. Großbritannien bis 1815

Eines der Hauptziele der Vereinigung der Länder lag darin, das Königreich angesichts der Belastung durch den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) zu stärken. Unter der Führung John Churchills, des 1. Herzogs von Marlborough, hatten England bzw. später Großbritannien und seine Verbündeten zahlreiche Schlachten gegen Frankreich, den damals bevölkerungsreichsten und mächtigsten Staat Europas, gewonnen. Um 1710 zeichnete sich jedoch ab, dass auch Marlborough den französischen König Ludwig XIV. nicht daran hindern konnte, einen ihm verwandten Bourbonen auf den spanischen Thron zu bringen. Marlborough und seine politischen Gefolgsleute wurden von Mitgliedern der Tory-Partei abgelöst, die in der Folge einen Friedensschluss mit Frankreich herbeiführten. Im Frieden von Utrecht (1713) erkannte Großbritannien den Anspruch der Bourbonen auf den spanischen Thron an. Zur selben Zeit überließ Frankreich dem Königreich Großbritannien die nordamerikanischen Gebiete Hudson Bay, Nova Scotia und Neufundland. Spanien trat Gibraltar und die Mittelmeerinsel Menorca ab und räumte britischen Handelstreibenden begrenzte Handelsverbindungen mit den spanischen Kolonien in Amerika ein. Bis 1750 umfassten die spanischen Zugeständnisse auch die des asiento, des Rechtes, afrikanische Sklaven nach Spanisch-Amerika einzuführen.

Da die britische Königin Anna bei ihrem Tod keine Kinder hinterließ, folgte ihr, gemäß der 1701 im Act of Settlement festgelegten Erbfolgeregelung, der ihr nächststehende protestantische Verwandte auf den Thron. Dies war ein Deutscher, der Kurfürst von Hannover, der 1714 als König Georg I. den Thron Großbritanniens bestieg. Damit begann eine neue Ära in der britischen Geschichte.

1.1.1. Die Regierung im 18. Jahrhundert

In die ersten Jahre der Regierungszeit Georgs I. fielen zunächst zwei größere Krisen: der jakobitische Aufstand von 1715, eine Revolte von Anhängern Jakob Eduard Stuarts, des Halbbruders von Königin Anna, sowie der so genannte „South Sea Bubble” (etwa: „Südseeschwindel”), ein umfassender Börsenkrach im Jahr 1720. Trotz dieser Krisen brachen in Großbritannien zu dieser Zeit zwei Jahrzehnte an, die relativen Frieden und Stabilität bringen sollten. Die Verwaltung des Landes blieb weitgehend den Landadeligen überlassen, die den Grund besaßen. Sie sorgten in ihrer Funktion als Friedensrichter auch für die Beilegung der meisten Rechtsstreitigkeiten. Außerdem waren sie für die Verwaltung von Straßen, Brücken, Gasthöfen und Märkten zuständig und beaufsichtigten vor Ort die Umsetzung der Armengesetze, der Hilfe für Waisen, Arme, Alte und all jene, die wegen Krankheit nicht arbeiten konnten. Als Gesamtnation entwickelten die Briten in zunehmendem Maß einen Stolz auf ihre gemischte Regierungsform, in der sich monarchische Elemente (das Erbkönigtum), aristokratische Elemente (die Erbmitgliedschaft im Oberhaus) und demokratische Elemente (das gewählte Unterhaus) verbanden und in dem daneben ein unabhängiges Gerichtswesen existierte. Die Regierungszeit Königin Annas war von häufigen Parlamentswahlen (alle drei Jahre) und ausgeprägten Rivalitäten zwischen den Parteien der Whigs (Liberale) und Tories (Konservative) geprägt gewesen. Seit der Thronbesteigung Georgs I. erfreuten sich die Whigs größerer Beliebtheit, da viele Tories noch die Thronansprüche der Stuarts unterstützten.

Der „Septennial Act”, ein Gesetz von 1716, legte fest, dass Parlamentswahlen nur alle sieben Jahre stattfinden sollten, anstatt alle drei Jahre wie bisher, und so ging die direkte politische Beteiligung der Bevölkerung zurück. Das Parlament umfasste 122 Grafschaftsvertreter und 436 Vertreter der Gemeinden. Nahezu alle Grafschaften und Gemeinden entsandten zwei Mitglieder ins Parlament, aber jede Gemeinde, ob Stadt oder Dorf, besaß ihre eigenen Gepflogenheiten in der Auswahl der Parlamentsabgeordneten. Sogar jene Bürger, die kein Wahlrecht besaßen, konnten sich auf Rechte wie das Gesuch, die Geschworenengerichtsbarkeit oder den Schutz vor willkürlicher Verhaftung berufen. Den Anspruch auf die vollen politischen Privilegien hatten nur Mitglieder der anglikanischen Kirche, aber auch nichtanglikanische Protestanten durften dem Recht nach ihren Glauben ausüben, sofern sie bereit waren, einmal pro Jahr die anglikanische Kommunion zu empfangen.

1.1.2. Zwei Jahrzehnte der Kriege

Zwischen 1739 und 1763 war Großbritannien fast ständig in Kriege verwickelt; der Krieg gegen Spanien (siehe Jenkins’ Ear War) ging schon bald in den Österreichischen Erbfolgekrieg über (Kriegsausbruch 1740), in dem Preußen, Frankreich und Spanien gegen Österreich standen. Großbritannien wurde Österreichs Hauptverbündeter, und so kämpften britische Armeen und Kriegsschiffe in Europa, Nordamerika und auf hoher See gegen die Franzosen; sogar in Indien, wo die Ostindiengesellschaften der Briten und Franzosen um die Vorherrschaft rivalisierten, wurde der Krieg ausgetragen. Die Schotten machten sich die außenpolitische Belastung des Königreiches zu Nutze, indem sie 1745 ein letztes Mal versuchten, die Stuarts auf den britischen Thron zu bringen. Als Prinz Charles Edward Stuart schottischen Boden betrat, konnte er sich die Unterstützung Tausender von Highland-Bewohnern sichern. Mit ihrer Hilfe eroberte er im September 1745 Edinburgh und rief seinen Vater als Jakob III. zum König aus. Sodann marschierte er mit seiner Armee südwärts, näherte sich London bis auf eine Entfernung von 161 Kilometern, konnte jedoch nicht mehr genügend englische oder schottische Anhänger für sich begeistern und musste sich im Dezember nach Schottland zurückziehen. Im April des folgenden Jahres wurden er und seine jakobitischen Gefolgsleute in der Schlacht bei Culloden besiegt, und Charles floh nach Frankreich.

Der Österreichische Erbfolgekrieg endete 1748 mit dem Aachener Frieden und der Wiederherstellung des territorialen Status quo, zumindest aus britischer Sicht (siehe Friede von Aachen). In der Zwischenzeit war im Vereinigten Königreich nach einer Reihe kurzlebiger Regierungskabinette eine relativ stabile Regierung unter Henry Pelham an der Macht (1748-1754). Mitte der fünfziger Jahre des Jahrhunderts sah sich das Königreich in einen inoffiziellen Krieg gegen Frankreich verwickelt, dessen Schauplätze Nordamerika und Indien waren. 1756 kam es erneut zum offenen Krieg. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) standen sich Großbritannien und Preußen einerseits und Frankreich, verbündet mit Österreich, andererseits gegenüber. Für Großbritannien begann der Krieg mit einer Reihe von Niederlagen in Nordamerika, in Indien, im Mittelmeer und auf dem europäischen Festland, wo die Franzosen Hannover besetzt hatten. Unter dem starken Druck der Öffentlichkeit ernannte Georg II. schließlich den tatkräftigen William Pitt den Älteren zum Minister. Er sollte den Krieg gegen das Ausland führen, während der Herzog von Newcastle das politische Geschehen im Inneren beaufsichtigte. Pitt war ein hervorragender Stratege und führte den Krieg voller Eifer. Die französische Flotte wurde vor der Küste Portugals besiegt, die britische Ostindienkompanie triumphierte in Bengalen und anderswo über ihre französische Konkurrenz und britischen Truppen gelang es mit Unterstützung der Kolonien, in Nordamerika Fort Duquesne (heutiges Pittsburgh, Pennsylvania, USA) sowie Quebec und Montreal in Kanada zu erobern. Zwar musste Pitt 1761 von seinem Amt zurücktreten, und Großbritannien nahm an den Friedensverhandlungen getrennt von Preußen teil, dennoch wurde der Friede von Paris (1763) ein diplomatischer Triumph für Großbritannien. Alle französischen Ansprüche auf Kanada und auf Ländereien östlich des Mississippi wurden an Großbritannien abgetreten, ebenso die meisten französischen Besitzrechte in Indien. Spanien, das 1762 auf französischer Seite in den Krieg eingetreten war, trat Florida ab. Durch den Frieden von Paris erreichte das britische Empire im 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt.

1.1.3. Die ersten Jahre der Regierung Georgs III.

1760 übergab König Georg II. im hohen Alter die Krone seinem Enkel, der als König Georg III. den britischen Thron bestieg. Dieser war in Großbritannien geboren und besaß ein tiefes Pflichtgefühl für seine Aufgabe. Er versuchte, in der Regierung des Landes eine aktive Rolle zu spielen. Im Hinblick darauf besetzte er die Regierung mit Männern, denen er voll vertraute, wie z. B. seinem früheren schottischen Hauslehrer Lord Bute, den er 1762 zum Premierminister ernannte. Bute war jedoch nicht besonders erfolgreich, die vier nachfolgenden Minister waren ebenfalls nur kurz im Amt. 1770 ernannte Georg III. mit Lord North schließlich einen Regierungschef, der sowohl ihm als auch der Mehrheit des Parlaments zusagte.
In den sechziger Jahren des Jahrhunderts schürte eine Gruppe von Politikern ohne festes Amt die öffentliche Kritik gegen Georg III., insbesondere wegen dessen Protektion bestimmter Politiker. Der Zeitungsherausgeber John Wilkes wurde wegen der scharfen Kritik in seinen Veröffentlichungen der aufrührerischen Verleumdung für schuldig befunden (1764), eingesperrt und seines Parlamentsmandats enthoben, das er jedoch von den Wählern später wieder erhielt. Seine Anhänger, die sich zur Gesellschaft der Befürworter der Bill of Rights zusammenschlossen (eines Gesetzes aus dem 17. Jahrhundert, das die Rechte des Einzelnen vor Übergriffen des Staates schützt), wurden zum Vorbild für spätere radikale Reformbestrebungen. In ihrem Programm forderten sie die Freiheit der Presse, die Abschaffung so genannter „rotten boroughs” („korrupter Wahlbezirke”, d. h. Wahlbezirke, die trotz minimaler Wählerzahl mit einem Sitz im Parlament repräsentiert sind), eine Ausweitung des Wahlrechtes und häufigere Parlamentssitzungen.

1.1.4. Der Nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg

Die von den Anhängern Wilkes’ geäußerten Befürchtungen bezüglich der Grundrechte bestärkten die weit radikaleren Führer der amerikanischen Kolonien in ihrem Misstrauen gegen die Regierung Großbritanniens. Die Kolonien hatten seit langem ein beträchtliches Ausmaß an Selbstverwaltungsrechten genossen. Seit 1763 waren sie zudem von der Bedrohung durch Frankreich befreit. Vor diesem Hintergrund lehnten sie die von mehreren aufeinanderfolgenden britischen Regierungen vorgebrachten Forderungen, sich an den Kriegskosten des Empires in Form von gemischten Steuern und Zöllen zu beteiligen, heftig ab. Ebenso waren sie aufgebracht über die britischen Bestrebungen, merkantilistische Handelsgesetze durchzusetzen und erzürnt darüber, dass die Londoner Regierung die gesetzgebenden Versammlungen der Kolonien nicht als ebenbürtig akzeptierte. Die widerstrebende Haltung der amerikanischen Kolonien führte schon bald zur Einberufung des 1. Kontinentalkongresses in Nordamerika (1774) und schließlich zum Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen (1775). Während Kritiker im Parlament, wie Edmund Burke, weiterhin auf eine friedliche Aussöhnung drängten, vertraten Georg III. und Lord North die Ansicht, dass die Kolonien wieder in ihre Schranken verwiesen werden mussten.

Die britische Regierungsgewalt in den 13 Kolonien brach 1775 zusammen. Obwohl britische Truppen zunächst Boston und später New York (1776) und Philadelphia (1777) einnehmen konnten, gaben die Amerikaner nicht auf. Nach der Niederlage General John Burgoynes bei Saratoga (1777) weitete sich der Bürgerkrieg innerhalb des britischen Empire zu einem internationalen Krieg aus. Auf die Seite der Kolonien, also gegen Großbritannien, stellten sich zunächst Frankreich (1778), dann Spanien (1779) und Holland (1780). Weitere Staaten bildeten einen Bund, der sich neutral verhielt. Erstmals seit mehr als einem Jahrhundert war Großbritannien diplomatisch isoliert. Nach der Kapitulation General Charles Cornwallis’ bei Yorktown (1781) zwang der im britischen Mutterland wachsende Unmut über die Niederlagen und die hohe Besteuerung, die die Kriegskosten verursachten, Lord North zum Rücktritt (1782) und seinen Nachfolger zur Unterzeichnung eines neuen Pariser Friedens (1783). Die 13 Kolonien wurden als unabhängige Staaten anerkannt und erhielten alle britischen Besitzungen südlich der Großen Seen. Florida und Menorca mussten an Spanien zurückgegeben werden, einige Westindische Inseln und mehrere afrikanische Hafenstädte an Frankreich. Siehe auch Nordamerikanischer Unabhängigkeitskrieg

1.1.5. Die Napoleonischen Kriege

Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts setzten sich die Kriege der Französischen Revolution in den Napoleonischen Kriegen fort, nachdem Napoleon I. (Napoleon Bonaparte) die französische Revolutionsregierung übernommen hatte. William Pitts des Jüngeren erste Koalition (daher auch 1. Koalitionskrieg) gegen die Franzosen (mit Preußen, Österreich und Russland) zerbrach 1796. 1797 setzten Niederlagen und Meutereien der Flotte Großbritanniens zu, während gleichzeitig französische Truppen eine Invasion in Großbritannien versuchten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges waren ein Boom in der landwirtschaftlichen Produktion und in diversen Industrien einerseits, aber auch eine rapide Inflation andererseits; die Löhne blieben deutlich hinter der Preissteigerung zurück und die Aufwendungen für die Umsetzung der Armengesetze wuchsen an. 1797 war die Bank von England gezwungen, das System der Deckung von Papiergeld durch Gold auszusetzen, und das Parlament verabschiedete erstmals eine Einkommensteuer. Rebellionen und die drohende Invasion französischer Truppen bewogen Großbritannien zum politischen Zusammenschluss mit Irland: So kam es 1801 zur Bildung des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Irland. Das Parlament in Dublin wurde abgeschafft und 100 irische Vertreter im Londoner Parlament aufgenommen. In Dublin verblieben als Vertreter der Regierungsgewalt nur ein irischer Statthalter und eine von London ernannte Verwaltungsbehörde.

Obwohl die Franzosen in der Seeschlacht bei Abukir 1798 geschlagen wurden, verlief der Krieg aus britischer Sicht ungünstig. Auch die zweite Koalition europäischer Mächte brach 1801 zusammen, und 1802 schloss das Königreich in Amiens einen vorläufigen Frieden mit Napoleon. Im folgenden Jahr brach erneut Krieg aus und eine dritte Koalition zerfiel zwischen 1805 und 1807. Die Invasionspläne Napoleons konnten durch die unter Lord Nelson siegreich geführte Seeschlacht bei Trafalgar (1805) vereitelt werden. Daraufhin versuchte Napoleon das Vereinigte Königreich durch eine Blockade des Seehandels, die so genannte Kontinentalsperre, in den Ruin zu treiben. Da die Blockade nur schwer durchzuhalten war, versuchte sich Napoleon an der Invasion Russlands (1812). Dieser Schritt beschwor die vierte Koalition seiner Gegner herauf (Vereinigtes Königreich, Russland, Österreich und Preußen), die schließlich, nach Ablauf von zwei Jahren, den Sturz Napoleons zuwege brachte. Der Beitrag der Briten war u. a. eine von Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, geführte Armee, die von 1809 bis 1813 in Spanien kämpfte. Darüber hinaus waren Briten an der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 beteiligt, der vernichtenden Schlacht gegen Napoleon nach dessen Rückkehr aus der Verbannung auf Elba. Der Krieg gegen die USA (1812-1814) war für das Vereinigte Königreich nur von marginaler Bedeutung und brachte keine territorialen Veränderungen.

1.2. Entwicklung seit den Napoleonischen Kriegen

1811 wurde Georg III., der inzwischen unter offensichtlicher geistiger Umnachtung litt, als König von seinem ältesten Sohn abgelöst. Dieser regierte zunächst als Prinzregent und ab 1820 als König Georg IV. Obwohl er ein Mäzen der Künste und besonders der Regency-Architektur war, machte er sich zunehmend unbeliebt, zum Teil wegen seiner Verschwendungssucht und Extravaganzen, vor allem aber wegen seines Verhaltens gegenüber seiner Frau Karoline von Braunschweig, von der er sich 1820 scheiden lassen wollte, und der er untersagte, seiner Krönung 1821 beizuwohnen. 1830 starb Georg IV., sein Bruder Wilhelm IV. folgte ihm auf den Thron.

1.2.1. Die Reformen der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts

Im Zentrum des politischen Geschehens der Jahre 1831 und 1832 stand das von den liberalen Whigs vorgelegte Reformgesetz (siehe Reform Bills: Reformgesetze). Nach ausgiebigen Debatten sowohl im Unterhaus als auch in der Öffentlichkeit, und angesichts der Drohung an das Oberhaus, im Falle einer Ablehnung des Gesetzes ein Woge neuer, reformerisch gesinnter Peers ins Oberhaus zu berufen, wurde die Gesetzesvorlage im Juni 1832 verabschiedet. Das Gesetz beinhaltete eine Neuverteilung der Parlamentssitze zugunsten der Wahlkreise in den schnell wachsenden Industriestädten und eine einfache Besitzstandsermittlung der Wahlanwärter, die der männlichen Bevölkerung der oberen Mittelschicht das Wahlrecht zukommen ließ. In England und Wales wuchs daraufhin die Zahl der Wahlberechtigten um die Hälfte, in Irland um mehr als das Doppelte und in Schottland um das Fünfzehnfache. Das Gesetz führte ein System der Wählerregistrierung ein, das zur Bildung von politischen Parteien auf nationaler wie auch regionaler Ebene ermunterte. Die Maßnahmen schwächten gleichzeitig die Position des Monarchen und des Oberhauses, obwohl weiterhin nur 4,2 Prozent der Bevölkerung wahlberechtigt waren . Weitere Reformgesetze folgten (siehe Factory Reforms Acts: Gesetze zur Fabrikreform). Das Fabrikgesetz von 1833 legte eine Obergrenze für die Arbeitszeit von Frauen und Kindern fest und sah eine Kontrolle durch Zentralinspektoren vor. Im selben Jahr wurde auch die Sklaverei abgeschafft. Das umstrittene neue Armengesetz (New Poor Law) von 1834 sah ebenfalls die Errichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde vor. Ein Gesetz über städtische Einrichtungen (Municipal Corporations Act, 1835) führte gewählte Stadtratsversammlungen ein. 1836 wurde eine Kirchenkommission eingerichtet, die die anglikanische Staatskirche Reformen unterziehen sollte. Ein gesondertes Gesetz von 1836 übertrug die Registrierung von Geburten, Todesfällen und Eheschließungen, für die bisher die Kirche zuständig gewesen war, dem Staat.

1837 wurde der inzwischen gealterte König Wilhelm IV. von seiner 18-jährigen Nichte Viktoria auf dem Thron abgelöst. Königin Viktoria und ihr Gatte Albert wurden zur Verkörperung der Werte der viktorianischen Gesellschaft: inniges Familienleben, Pflichtgefühl gegenüber der Gesellschaft und Respektabilität. Die Überzeugungen und Ansichten der Viktorianer wurden auch durch das Wiederaufleben evangelikaler Glaubenslehren sowie durch die Philosophie des Utilitarismus mit ihren Vorstellungen von Nützlichkeit und praktischem Geschäftssinn geprägt.

1.2.2. Der Wohlstand der hochviktorianischen Zeit

Ab den späten vierziger bis in die späten sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts traten die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen hinter einem wirtschaftlichen Hoch zurück, das nur gelegentlich durch reale oder drohende Kriege auf dem Kontinent und in Übersee beeinträchtigt wurde. Die Revolutionswelle von 1848 griff nicht auf Großbritannien über. Die Weltausstellung, die 1851 in London stattfand, war ein Ausdruck der industriellen Überlegenheit des Vereinigten Königreiches. Das Eisenbahnnetz, das 1850 eine Gesamtlänge von 10 600 Kilometern aufwies, wurde während der mittleren Periode des Viktorianischen Zeitalters auf mehr als das Doppelte ausgebaut, und die Menge der jährlich beförderten Fahrgäste versiebenfachte sich. Das Telegraphensystem ermöglichte rascheste Nachrichtenübermittlung. Sir Henry Bessemer entwickelte 1856 eine neue Methode der Stahlerzeugung, die den Herstellungspreis von Stahl sinken ließ, und in den sechziger Jahren setzte ein Boom im Dampfschiffbau ein. Der Gesamtwert britischer Exporte verdreifachte sich und die Kapitaleinlagen in Übersee stiegen auf das Vierfache ihres bisherigen Umfangs. Auch die Lebensbedingungen der Arbeiterschicht verbesserten sich. Der Zulauf, den die Gewerkschaften beispielsweise im Maschinenbau, der Tischlerei und anderswo verzeichnen konnten, führte 1868 zur Gründung eines Gewerkschaftsdachverbandes (Trades Union Congress).

Angesichts der Stimmung, die auf dem europäischen Kontinent nach den dortigen Revolutionen von 1848 herrschte, ließ sich eine britische Regierung aus Peel-Anhängern und Liberalen (1852-1855) unter Premierminister Lord Aberdeen in einen Krieg gegen das autokratische und expansionistische Russland verwickeln. Das Vereinigte Königreich trat, alliiert mit dem Frankreich Napoleons III., in den Krimkrieg ein (1854). Parlamentarische Kritik an der Führung der Armee zwang jedoch Lord Aberdeen zum Rücktritt. Sein Nachfolger im Amt des Premierministers wurde Lord Palmerston, ein überzeugter britischer Nationalist und Verfechter eines europäischen Liberalismus. Er führte den Krieg zu Ende; 1856 wurde ein partieller englisch-französischer Sieg erzielt. 1857 und 1858 ereignete sich der Sepoy-Aufstand, der schließlich niedergeschlagen werden konnte. In der Folge nahm die britische Regierung der britischen Ostindienkompanie die administrative Verantwortung für die Region ab und erklärte Indien zur Kronkolonie. Im Gegensatz dazu wurden in den von Weißen besiedelten Kolonien des Vereinigten Königreiches Schritte in Richtung einer Selbstverwaltung der Gebiete eingeleitet, und zwar in Kanada (vereinigt durch den British North America Act von 1867), Australien, Neuseeland und Cape Colony (Südafrika). Während des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865) gelang dem Vereinigten Königreich der Balanceakt einer neutralen Position. Das Königreich befürwortete die Entstehung eines italienischen Gesamtstaates, beobachtete jedoch mit Besorgnis die Bemühungen Fürst Otto von Bismarcks, ein deutsches Reich unter preußischer Führung zu schaffen.

1.2.3. Spätviktorianischer Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft

Die Krise in der Landwirtschaft, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Irland zu sozialen Unruhen führte, wirkte sich auch auf die Landwirtschaft Großbritianniens und den Wohlstand der Landbesitzer aus. Auf den Wirtschaftsboom der hochviktorianischen Zeit folgte eine Periode der Deflation, fallender Löhne und phasenweise weit verbreiteter Arbeitslosigkeit. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Deutschland überholten das Vereinigte Königreich in der Stahlproduktion und in der Herstellung anderer Güter. Das Königreich blieb jedoch noch weltweit führend im Schiffbau, in der Spedition und im Finanzwesen, und die Mehrheit der Briten konnte eine wachsende Kaufkraft verzeichnen. Die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften nahm kontinuierlich zu, und es gab unübersehbare Bemühungen, auch die angelernten Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren. Der Streik der Londoner Hafenarbeiter 1889 war ein Ergebnis solcher Bemühungen. Sozialforscher ebenso wie bekennende Sozialisten machten auf die grassierende Armut etwa in den Slums Londons und anderer Großstädte aufmerksam. Sowohl die Regierung als auch freiwillige Vereinigungen waren nun gefordert, das soziale Elend zu bekämpfen. Obwohl zahlreiche Bürger des Vereinigten Königreiches in überseeische britische Kolonien und in die USA auswanderten (während der achtziger Jahre des Jahrhunderts mehr als 200 000 Menschen), verdoppelte sich die Bevölkerung von England und Wales zwischen 1851 und 1911 auf nun über 36 Millionen Einwohner. In Schottland war die Bevölkerung in diesem Zeitraum um über 60 Prozent auf fast fünf Millionen angewachsen. In Irland hingegen war infolge der Auswanderung, die dort das größte Ausmaß zeigte, die Bevölkerungszahl um zwei Millionen gesunken; zwischen 1847 und 1861, in der Zeit, die auf die Hungersnot folgte, traten über zwei Millionen Iren die Reise über den Atlantik in die Vereinigten Staaten an. Sowohl die Sterbe- als auch die Geburtenrate im Vereinigten Königreich ging etwas zurück. Ein Reihe von Gesetzesänderungen verschaffte einer winzigen Minderheit von Frauen die Möglichkeit, eine Universität zu besuchen und bei Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben, sowie das Recht, auch innerhalb eines Ehebündnisses über ihr Eigentum selbst zu verfügen.

1.2.4. Das britische Empire in spätviktorianischer Zeit

Während in der mittleren Phase der Viktorianischen Ära die Stellung des Königreiches in der Welt kaum Interesse im eigenen Land auf sich gezogen hatte, wurde diese Thematik in den letzten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts immer drängender. Da die USA, Deutschland und Frankreich wachsende Einfuhrzölle erhoben, kam den Kolonien als Handelspartner erneut große Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine Rivalität zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland um Gebiete im Mittleren Osten und entlang der indischen Grenze. Zwischen dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland entbrannte ein „Gerangel um Afrika”: Jede der Nationen sicherte sich umfangreiche Territorien auf diesem Kontinent. Für das Vereinigte Königreich waren Hongkong und Singapur wichtige Handelszentren sowie Stützpunkte im Streben nach Einfluss in China und im Südpazifik. Die Fertigstellung des Suezkanals im Jahr 1869 führte indirekt ein britisches Protektorat über Ägypten herbei (1882). Königin Viktoria wurde 1876 Kaiserin von Indien. Ihr fünfzigjähriges und sechzigjähriges Amtsjubiläum (1887 bzw. 1897) gerieten zu Feierstunden des britischen Weltreiches. Auch die konservativen Regierungskabinette unter Lord Salisbury (1885, 1886-1892 und 1895-1902) waren vorwiegend mit den Belangen der Weltstellung des Königreiches beschäftigt. Der Kolonialminister Salisburys, Joseph Chamberlain, trug mit seiner Kolonialpolitik zum Ausbruch des Burenkrieges im Jahr 1899 bei. Darin musste das Vereinigte Königreich einige anfängliche Niederlagen hinnehmen, konnte 1900 jedoch Johannesburg und Pretoria einnehmen. Der Konflikt konnte jedoch erst im Jahre 1902 nach langem Kleinkrieg endgültig beigelegt werden. Inzwischen war Königin Viktoria gestorben.

1.2.5. Die Regierungszeit König Eduards (1901-1914)

Nach Beendigung des Burenkrieges unterzeichnete das Vereinigte Königreich einen Bündnisvertrag mit Japan (1902) und setzte einer jahrzehntelangen Rivalität mit der Kolonialmacht Frankreich durch das Bündnis der Entente cordiale 1904 ein Ende. Nachdem auch die britisch-russischen Konflikte beigelegt waren, wurde dieses Bündnis 1907 unter Einbeziehung Russlands zur Tripelentente erweitert. Diesem Dreierbund stand der Dreibund zwischen Deutschland, Österreich und Italien gegenüber.

Als die Regentschaft König Eduards VII. anbrach, waren jedoch die meisten Briten vorwiegend an nationalen Angelegenheiten interessiert. Das Gesetz zum Bildungswesen von 1902, von Arthur Balfour eingebracht, legte den Grundstein für ein staatliches Sekundarschulwesen und reagierte damit auf die Forderung nach wachsender Leistungsfähigkeit der Nation. Gleichzeitig brachen dadurch auch alte Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche wieder auf. Während der Amtszeit der Regierung Balfour (1902-1905) zeigte sich die Konservative Partei in der Frage der Handelspolitik gespalten; ein Parteiflügel forderte die Wiedereinführung von Schutzzöllen, der andere vertrat den freien Handel. In den Parlamentswahlen von 1906 erhielten die Liberalen eine überwältigende Mehrheit. Der Einfluss der Gewerkschaften manifestierte sich erstmals auch in Form einer eigenen, im Parlament vertretenen Arbeiterpartei, der Labour Party, die 29 Parlamentsabgeordnete stellte. Die liberale Regierung – sie wurde zunächst von Sir Henry Campbell-Bannerman (1905-1908) und später von Herbert Henry Asquith (1908-1916) geführt – gewährte der neu gegründeten Union Südafrika 1910 die Selbstverwaltung im Inneren sowie Britisch-Indien eine partielle, regionale Selbstverwaltung (1909). Auf Anregung von David Lloyd George und Sir Winston Churchill wurden im Vereinigten Königreich die Fundamente des Wohlfahrtsstaates gelegt. Hierzu gehörten die Einführung einer Altersrente (1908), die Schaffung staatlicher Behörden für Stellenvermittlung (1909), die Einführung einer Arbeitslosenversicherung (1911) und eines Beitragssystems für eine nationale Krankenversicherung, die die meisten Arbeiter umfasste (1911), sowie die Gründung von Behörden, die Minimallöhne für Minenarbeiter und andere Arbeitnehmer festlegten (1909, 1912). Lloyd Georges heftig umstrittenes Programm eines „Volksbudgets” („people’s budget”, vorgelegt 1909) zielte darauf ab, durch Besteuerung der oberen Schichten soziale Reformen und die Wiederaufrüstung der Marine zu finanzieren. Die Blockade dieses Vorhabens im Oberhaus zog das Parlamentsgesetz von 1911 nach sich, das die politische Macht des Oberhauses auf nur mehr ein aufschiebendes Vetorecht in der Gesetzgebung reduzierte. Die Konservativen errangen jedoch in den Parlamentswahlen von 1910 wieder einen Stimmenzuwachs, so dass die Liberalen in der Folgezeit auf die Unterstützung durch die irischen Nationalisten angewiesen waren, um sich an der Macht zu halten. Obwohl die Wirtschaft zu florieren schien, konnten die Löhne mit der Preissteigerung kaum Schritt halten, und so kam es in den Jahren 1911 bis 1914 zu ausgedehnten, sozialen Unfrieden schaffenden Streiks der Minen- und Hafenarbeiter und der Beschäftigten im Transportwesen. Die als „Suffragetten” bezeichneten Frauenrechtlerinnen demonstrierten massiv, zum Teil auch gewaltsam, für eine Ausweitung des Wahlrechtes auf Frauen. Als die liberale Regierung Anstalten zeigte, die politische Eigenständigkeit Irlands in die Wege zu leiten, drohten nichtkatholische Iren aus der nordirischen Provinz Ulster mit gewaltsamen Aktionen; sie wollten um jeden Preis verhindern, Teil eines halbunabhängigen Irlands zu werden. Während sich das Vereinigte Königreich mit all diesen Konflikten im Inneren beschäftigte, eskalierte eine Krise auf dem Balkan und entfachte den 1. Weltkrieg.

1.2.6. Das Vereinigte Königreich im 1. Weltkrieg

Das Vereinigte Königreich entsandte umgehend ein Expeditionskorps nach Frankreich, das mithalf, den deutschen Vormarsch an der Marne zu stoppen. Die Kämpfe an der Westfront kamen schon bald inmitten von Schützengräben, Stacheldrahtverhau und Maschinengewehrstellungen zum Stocken und gingen in einen blutigen Stellungskrieg über. Versuche, die Deutschen zurückzudrängen, blieben wiederholt ohne Erfolg und kosteten Hunderttausende von Menschenleben. Auch Bemühungen, die Mittelmächte (Deutschland, Österreich und die Türkei) auf dem Balkan von zwei Flanken her anzugreifen, schlugen fehl, darunter auch die Gallipoli-Kampagne 1915 und 1916. In der Seeschlacht vor dem Skagerrak (1916) konnten die Briten einen deutschen Vorstoß in die Nordsee verhindern, aber die Präsenz deutscher U-Boote erschwerte den Handel, so dass zu Beginn des Jahres 1917 im Vereinigten Königreich eine Hungersnot drohte. Die Gefahr wurde schließlich gebannt, als Handelsschiffkonvois unter dem Schutz von Zerstörern Waren lieferten.

Im Mai 1915 wurde Asquiths liberale Regierung zu einer großen Koalition aus Liberalen, Konservativen und einigen Labour-Abgeordneten erweitert. Lloyd George war als Minister für das Kriegsmaterial zuständig. Die andauernde Unzufriedenheit über ausbleibende Kriegserfolge führte jedoch schon bald zur Ablösung Asquiths durch Lloyd George, der im Dezember 1916 an die Spitze einer vorwiegend von Konservativen gebildeten Regierung trat. In Irland spitzten sich in der Zwischenzeit die Probleme zu und entluden sich 1916 im Osteraufstand, der mehrere hundert Tote forderte. 1918 betrug der Staatshaushalt das Dreizehnfache des Jahres 1913. Die Steuersätze waren auf das Fünffache und die gesamte Staatsverschuldung auf das Vierzehnfache ihres Vorkriegswertes angestiegen.

Das Ende der Zarenherrschaft in Russland durch die Revolution von 1917 wurde von vielen Briten begrüßt, die Entscheidung der Bolschewiki, einen separaten Frieden mit Deutschland zu schließen (1918), empfanden sie jedoch als einen Verrat. Die Wende im Krieg kam jedoch schließlich mit dem Kriegseintritt der USA im April 1917. Er ließ die Machtverhältnisse zugunsten der Alliierten kippen und ermöglichte eine Panzeroffensive nach Plänen von General Douglas Haig. Sie wurde im Sommer 1918 erfolgreich durchgeführt und führte die Kapitulation Deutschlands im November desselben Jahres herbei. Aus den Parlamentswahlen, die unmittelbar nach dem Waffenstillstand abgehalten wurden, ging die Koalition von Lloyd George als überwältigender Sieger hervor. Die Labour Party, die sich nun fest dem Sozialismus verschrieben hatte, wurde stärkste Oppositionspartei, während der Asquith-Flügel der Liberalen fast völlig bedeutungslos geworden war. Mit dem 1918 verabschiedeten Reformgesetz hatten nun alle Männer über 21 und alle Frauen über 30 das Wahlrecht erhalten.

1.2.7. Folgen des 1. Weltkrieges

Bei der Pariser Friedenskonferenz von 1919 vertrat Lloyd George das Vereinigte Königreich, das dort zu den „Großen Drei” (neben Frankreich und den USA) zählte. Die dort verabschiedeten Beschlüsse vergrößerten das britische Empire; die ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und die türkischen Besitzungen im Mittleren Osten wurden britischer Verwaltung unterstellt. Zur selben Zeit traten die selbstverwalteten britischen Dominions Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika als eigenständige Unterzeichner der Verträge auf und wurden selbständige Mitglieder des neu geschaffenen Völkerbundes. Ein inzwischen in Irland ausgebrochener Bürgerkrieg wurde 1921 mit einem von Lloyd George ausgehandelten Vertrag beigelegt. Auf dem Großteil der irischen Insel entstand der irische Freistaat, der praktisch völlig unabhängig vom Vereinigten Königreich war und ihm nur noch formal als Teil des Commonwealth angehörte. Die sechs Grafschaften Nordirlands erhielten zwar eine eigene Provinzregierung, verblieben aber beim Königreich, in dessen Parlament sie weiterhin mit Abgeordneten vertreten waren. Die unmittelbaren Nachkriegsjahre waren geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung, rascher Demobilisierung und Arbeiterunruhen. Um 1922 war der wirtschaftliche Schub beendet. Im selben Jahr bewerkstelligte eine Gruppe von Parlamentariern aus den Reihen der Konservativen den Sturz des Premierministers Lloyd George, und mit dem konservativen Kabinett Andrew Bonar Laws setzte eine Konsolidierung ein.

1.2.8. Zwischen den Weltkriegen

In den frühen zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts vollzog sich in der politischen Landschaft des Vereinigten Königreiches ein grundlegender Wandel. Aus den Parlamentswahlen von 1922 gingen die Konservativen noch als Sieger hervor. Ein Jahr später beraumte Bonar Laws Nachfolger im Premierministeramt, Stanley Baldwin, Neuwahlen an, in denen am Ende keine Partei mehr eine eindeutige Mehrheit erzielen konnte. Schließlich wurde mit Ramsay MacDonald, dem Führer der Labour Party, zum ersten Mal ein erklärter Sozialist Premierminister des Vereinigten Königreiches. Sein erstes Regierungskabinett (1924), von der Unterstützung der Liberalen abhängig, hielt sich nur ein knappes Jahr, dann brachten erneute Neuwahlen die Konservativen unter Baldwin wieder an die Regierung. Die Bemühungen Lloyd Georges und Asquiths, die Liberalen wieder zu einen, konnten letztlich nichts mehr daran ändern, dass die Partei nun endgültig zu einer Randpartei mit geringer Wählerschaft abgesunken war. Das Regierungskabinett Baldwins (1924-1929) sah sich mit bisher ungekannten Manifestationen gewerkschaftlicher Solidarität konfrontiert, die im Generalstreik von 1926 gipfelten. Der Streik diente der Unterstützung der Minenarbeiter, die sich gegen niedrigere Löhne und längere Arbeitszeiten zur Wehr setzten. Durch den Einsatz von Soldaten, welche die Aufrechterhaltung der allernotwendigsten Dienstleistungen gewährleisteten, wurde seine Wirkung geschmälert, und er dauerte letztlich nur neun Tage. Der Generalstreik wurde jedoch damals als eine direkte Herausforderung des Staatswesens interpretiert und zog daher Veränderungen im Gewerkschaftsrecht nach sich. So wurde etwa die Regelung, Mitgliedsbeiträge automatisch vom Lohn abzuziehen, dahingehend verändert, dass die Arbeiter nun selbst einer Gewerkschaft beitreten mussten. Darüber hinaus setzte die Baldwin-Regierung jedoch auch verschiedene soziale Reformmaßnahmen um: Unter anderem verabschiedete sie ein Gesetz über Beitragsleistungen zu Witwen-, Waisen- und Altersrenten (1925), richtete ein landesweites Stromnetz ein (1926) und reformierte die Kommunalverwaltung (1929). 1928 wurde das Frauenwahlrecht dem der Männer vollständig angeglichen.
Zwischen 1929 und 1932 zeigten sich die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auch im Vereinigten Königreich, indem die dortige, zu der Zeit bereits hohe Arbeitslosenquote nahezu auf das Doppelte anstieg. Im Verlauf von drei Jahren gingen sowohl die wirtschaftliche Aktivität als auch die Preise um ein Viertel zurück, und einige Industrien, wie etwa der Schiffsbau, brachen völlig zusammen. MacDonalds zweite Labour-Regierung (1929-1931) war nicht in der Lage, der Krise Entscheidendes entgegenzusetzen. 1931 wurde sie zu einer als „National government” bezeichneten Koalitionsregierung unter starker Beteiligung der Konservativen erweitert, die zunächst von MacDonald und dann von Baldwin (1935-1937) geführt wurde. Die Labour Party warf MacDonald Verrat vor, die neue Regierung erhielt jedoch in den Wahlen von 1931 ein überwältigend positives Mandat. Sie setzte den Goldstandard der britischen Währung aus, erhob Schutzzölle nach außen und bezuschusste den Wohnungsbau. Zwischen 1933 und 1937 erholte sich die Wirtschaft kontinuierlich, wobei Fahrzeug-, Bau- und Elektroindustrie die Zugpferde waren. Die Arbeitslosigkeit blieb jedoch hoch, besonders in Wales, Schottland und Nordengland. Das gesellschaftliche Leben jener Zeit war geprägt von der Verbreitung des Radios (für das die 1927 gegründete BBC, die Britische Rundfunkgesellschaft, ein Monopol hatte) sowie des Kinos. Die auf dem europäischen Festland dominierenden Ideologien des Kommunismus und Faschismus zeigten im Königreich jedoch kaum Wirkung. Das Empire existierte weiterhin, wenn auch 1931 im Westminster-Statut einige Commonwealth-Mitglieder, wie Kanada und Australien, zu gleichberechtigten Staaten erklärt wurden. Der Einfluss der Kirche ging zurück, das Ansehen der Monarchie war jedoch unter König Georg V. ungebrochen. Als dessen Sohn Eduard VIII. darauf bestand, eine bereits zweimal geschiedene Amerikanerin zu heiraten, war er 1936 zur Abdankung gezwungen. Unter der Regentschaft von Eduards Bruder Georg VI. nahm die königliche Familie erneut Vorbildcharakter für die Nation an.

1.2.9. Das Vereinigte Königreich im 2. Weltkrieg

Nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges war die britische Regierung bestrebt, weitere Konflikte auf jeden Fall zu vermeiden. Das Vereinigte Königreich spielte eine führende Rolle im Völkerbund und bei den Abrüstungskonferenzen nach dem 1. Weltkrieg, wie etwa bei der Washingtoner Konferenz von 1921 bis 1922 und der Londoner Konferenz von 1930, die eine Begrenzung der Seestreitkräfte durchsetzte. Das Königreich räumte auch ein, dass die Bestrafung Deutschlands bei der Pariser Friedenskonferenz von 1919 möglicherweise überzogen ausgefallen war, und so verfolgte die britische Regierung nach 1933 Deutschland gegenüber, das inzwischen von Adolf Hitler regiert wurde, eine versöhnliche Politik weit reichender Zugeständnisse, wenn auch unter Protest (siehe Appeasement). Als das nationalsozialistische Deutschland 1934 den Völkerbund verließ, mit der Wiederaufrüstung des Landes begann (1935) und 1936 das entmilitarisierte Rheinland besetzte (durchwegs Maßnahmen, die dem Vertrag von Versailles widersprachen), reagierte das Vereinigte Königreich mit einer Politik der Billigung. Dasselbe traf für den Anschluss Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 zu. In dem Bestreben, den Frieden um jeden Preis zu erhalten, stimmte Premierminister Neville Chamberlain auch dem Münchner Abkommen von 1938 zu, welches festlegte, dass die Tschechoslowakei das Sudetenland an Deutschland abtreten musste. Erst nach dem deutschen Einmarsch in Prag im März 1939 sicherte das Vereinigte Königreich Polen, Griechenland und Rumänien militärische Unterstützung für den Fall einer deutschen Invasion zu. Im April 1939 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt.

Als Hitler im September 1939 in Polen einmarschierte, erklärten das Vereinigte Königreich und Frankreich Deutschland den Krieg (siehe 2. Weltkrieg). Auf die Unterwerfung Polens folgte im Frühjahr 1940 die deutsche Invasion in Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich. Im Mai trat Winston Churchill, seit jeher ein ausgesprochener Gegner der britischen Appeasement-Politik und seit 1939 Kabinettsmitglied, an die Stelle Chamberlains als Premierminister der Kriegsregierung (1940-1945), an der alle drei Parteien beteiligt waren. Nach der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 stand das Vereinigte Königreich allein. Unter der Führung Churchills wurden alle Kräfte des Landes für den Krieg mobilisiert, und diese Anstrengungen waren umfassender als bei irgendeiner anderen Nation. In einer historischen Radioansprache schwor Churchill die Briten auf eine Zeit von „Blut, Schweiß und Tränen” ein, die es durchzustehen gelte. Eine geplante deutsche Invasion Großbritanniens konnte zwar dank der Überlegenheit der britischen Luftwaffe vereitelt werden, jedoch wurden bei deutschen Luftangriffen große Teile Londons und anderer Städte zerstört und rund 60 000 britische Zivilisten getötet. Anfang des Jahres 1941 begannen die nach wie vor neutralen Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich mit Kriegsmaterial zu unterstützen (Leih- und Pachtsystem).

Der Krieg nahm mit dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion im Juni 1941 und dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941 eine neue Dimension an. Churchill bildete mit dem sowjetischen Staatschef Jossif Stalin und US-Präsident Franklin Delano Roosevelt eine „Große Allianz” gegen Deutschland, Italien und Japan. Unmittelbar nach dem japanischen Angriff wurden weite Teile des britischen Empire in Südostasien von den Japanern besetzt, 1942 kam jedoch die Wende. Die Briten trugen dazu mit der Atlantikschlacht gegen die deutsche U-Boot-Flotte bei, sowie durch den von General Bernard Montgomery geführten Nordafrikafeldzug gegen die dortigen deutschen Truppen. Churchill stand in ständigem Informationsaustausch mit Roosevelt, häufig fanden Treffen zwischen beiden statt. Britische Truppen waren auch massiv an der Invasion Siziliens und Italiens 1943 beteiligt, sowie an der Invasion in Frankreich 1944 und der endgültigen Niederwerfung der Achsenmächte 1945.

1.2.10. Die Regierung Clement Attlees (1945-1951)

In den folgenden Jahren versuchte die Labour-Regierung unter Clement Richard Attlee, mehr soziale Gerechtigkeit im Vereinigten Königreich zu schaffen, während gleichzeitig die Not der Nachkriegszeit, der Zerfall des Empire und die neue Situation des Kalten Krieges mit der UdSSR bewältigt werden mussten. Großer Popularität erfreuten sich die zwei Maßnahmen, die das Vereinigte Königreich zu einem Wohlfahrtsstaat umgestalteten, das Sozialversicherungsgesetz von 1946 (ein Bündel von Einzelgesetzen, die Leistungen im Falle von Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, Behinderung, Alter und für Hinterbliebene garantierten) und die Einrichtung des staatlichen Gesundheitswesens (National Health Service) 1948. Beide Maßnahmen griffen auf die Vorschläge des so genannten Beveridge Report zurück, eines während des Krieges von dem Liberalen William Beveridge verfassten Untersuchungsberichts zur sozialen Situation im Lande. Die Verstaatlichung der Bank von England, der Kohleindustrie, der Gas- und Stromversorgung, der Eisenbahn sowie der meisten Fluglinien war relativ unumstritten, die Verstaatlichung des Güterfernverkehrs und der Eisen- und Stahlindustrie stieß jedoch auf heftigen, wenn auch letztlich erfolglosen Protest der Konservativen. Die letzten undemokratischen Reste des Wahlrechtes – noch bestand vereinzelt die Möglichkeit mehrmals, nämlich in mehr als einem Wahlkreis, abzustimmen – wurden 1948 abgeschafft, die aufschiebende Gewalt des Oberhauses bei der Gesetzgebung wurde von bisher zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. All diese Reformen wurden während der entbehrungsreichen Nachkriegszeit in Gang gesetzt. Ein Ergebnis des Krieges war auch die Verdreifachung der Staatsschulden, wodurch das Vereinigte Königreich zum ersten Mal seit dem 18. Jahrhundert zu einer Schuldnernation geworden war. Mit dem Auslaufen des Leih- und Pachtsystems (Lieferung von US-Kriegsmaterial ohne sofortige Bezahlung), mit dem die USA im Krieg die Gegner der Achsenmächte unterstützt hatten, im Jahr des Kriegsendes 1945, waren die Kosten der britischen Einfuhren abrupt angestiegen, noch lange bevor die Demobilisierung des Militärs und die Umstellung der Industrie auf Friedenszeiten vollzogen waren. Daher waren zunächst noch Maßnahmen aus der Kriegszeit beibehalten worden. Die Nahrungsmittelrationierung wurde 1946 und 1947 strenger gehandhabt als im Krieg.

Das Nachkriegsdeutschland war zwischen der UdSSR, den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden. Bemühungen, einen endgültigen Friedensvertrag mit Deutschland auszuhandeln, mussten jedoch aufgegeben werden, als deutlich wurde, dass die UdSSR ganz Osteuropa einschließlich der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands in einen sowjetischen Machtbereich umgestalten würde. Um der sowjetischen Bedrohung entgegenzutreten, schloss sich das Vereinigte Königreich, das inzwischen Aufbauhilfe aus den USA in Form des Marshallplanes erhielt (1948-1952), mit den USA und anderen westlichen Staaten zum Nordatlantischen Verteidigungspakt (North Atlantic Treaty Organization: NATO, 1949) zusammen. Die britische Regierung sah sich jedoch nicht in der Lage, eine eigenständige Rolle im Mittleren Osten zu spielen. 1948 gab sie das Verwaltungsmandat für Palästina auf, was zur Errichtung des Staates Israel und dem 1. Arabisch-Israelischen Krieg führte. Angesichts der leeren Kassen und der immer drängenderen Forderungen nach Selbstverwaltung entließ die britische Regierung 1947 Indien und Pakistan und 1948 Birma und Ceylon in die Unabhängigkeit.

1.2.11. Eine Phase konservativer Regierungszeit (1951-1964)

Nachdem die Labour-Regierung ihr Reformprogramm im Großen und Ganzen verwirklicht hatte, verlor sie in den Parlamentswahlen von 1950 und erneut 1951 unter starken Verlusten ihre Parlamentsmehrheit. Dies ermöglichte den Konservativen unter Winston Churchill die Rückkehr an die Macht. Mit Ausnahme der Reprivatisierung der Eisen- und Stahlindustrie ließen die Konservativen die Labour-Gesetze zum Wohlfahrtsstaat unangetastet, und die frühen fünfziger Jahre wurden zu einer Phase kontinuierlicher wirtschaftlicher Konsolidierung. Die Senkung der Einkommensteuer und der Abbau von Sonderbestimmungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit hatten einen Boom im Wohnungsbau zur Folge und auch der Außenhandel florierte. Während mit Churchill ein international renommierter Veteran der Politik an der Spitze der britischen Regierung stand, bestieg mit Elisabeth II. eine noch junge Königin den Thron und zog anlässlich ihrer Krönung in London im Juni 1953 die Aufmerksamkeit der Welt auf sich. Zu dieser Zeit wurde im Vereinigten Königreich an der Fertigung eigener Atom- und Wasserstoffbomben gearbeitet und eine Pionierleistung in der Stromerzeugung durch Atomkraft erbracht. Churchills außenpolitische Hoffnungen auf ein erneutes Gipfeltreffen mit den Führern der Großmächte wurden zwar enttäuscht, der Tod Stalins 1953 milderte jedoch das Klima des Kalten Krieges geringfügig.

1.2.11.1 Eden und Macmillan

Churchills Nachfolger im Premierministeramt wurde der damalige Außenminister Sir Anthony Eden (1955-1957), unter dem die Konservative Partei im Frühjahr 1955 einen zweiten Wahlsieg erringen konnte. Im selben Jahr war Eden an den Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Österreich beteiligt und nahm an einer Gipfelkonferenz in Genf teil.

Edens Amtszeit fand jedoch ein frühes Ende – eine Folge der Suezkrise, die sich entwickelte, als Ägypten 1956 den Suezkanal verstaatlichte. Erst ein Jahr vorher hatte das Vereinigte Königreich seine Truppen vom Suezkanal abgezogen; eine erneute Besetzung durch britisch-französische Truppen 1956 musste auf Druck der UdSSR und der USA abgebrochen werden. Die Folgen dieser Episode waren der Verlust des noch verbliebenen britischen Einflusses im Mittleren Osten sowie der Rücktritt Edens. Edens Nachfolger Harold Macmillan stand der Regierung in einer Zeit auflebenden Wohlstands und Konsums der Bevölkerung vor (1957-1963). 1959 errangen die Konservativen unter Macmillan ihren dritten Wahlsieg in Folge.

1.2.11.2 Entkolonialisierung

Macmillans Regierung verfolgte eine gezielte Politik der Entkolonialisierung in Afrika. Der Sudan war bereits 1956 unabhängig geworden, und in den folgenden sieben Jahren erlangten auch Ghana, Nigeria, Somalia, Tansania, Sierra Leone, Uganda und Kenia die Unabhängigkeit. Die meisten dieser Staaten blieben Mitglieder des Commonwealth of Nations, der sich in eine hochgradig dezentralisierte Vielvölkergemeinschaft auf freiwilliger Basis verwandelt hatte. Das von einer weißen Minderheit regierte Südafrika verließ hingegen den Commonwealth 1961 und rief eine Republik aus. Auch Malaysia, Zypern und Jamaika wurden während der Amtszeit Macmillans in die Unabhängigkeit entlassen.

Noch während sich die Bindungen des Empire lockerten, kamen Immigranten vor allem von den Westindischen Inseln und aus Pakistan in großer Zahl ins Vereinigte Königreich. Viele von ihnen waren gezielt angeworben worden, da Bedarf an Arbeitskräften, beispielsweise im Verkehrssektor, bestand. Die Ankömmlinge mussten jedoch häufig feststellen, dass sie in vielen Gegenden alles andere als willkommen waren. Die wachsenden Spannungen zwischen Briten und Immigranten veranlassten die Regierung zu einer scharfen Begrenzung der Zuwanderung, während im Lande die rechtliche Gleichstellung der Eingewanderten und ihrer Nachkommen sichergestellt wurde.

Nach dem Zerfall des Empire richtete sich die Aufmerksamkeit der Briten verstärkt auf die Situation im Vereinigten Königreich: Es wurde zunehmend deutlich, dass die britische Wirtschaft weniger schnell wuchs als die der europäischen Nachbarstaaten auf dem Festland. So bewarb sich das Vereinigte Königreich 1961 um Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft (EG; inzwischen Europäische Union: EU). Zahlreiche Briten waren nicht darauf vorbereitet, ihr Schicksal an das des europäischen Festlands zu koppeln. Vorerst waren ihre Befürchtungen jedoch noch nicht relevant, da der französische Präsident Charles de Gaulle Einspruch gegen die Bewerbung erhob. 1963 wurde Premierminister Macmillan von seinem Parteikollegen Sir Alexander Douglas-Home abgelöst. Unter dessen Führung unterlag die Konservative Partei in den Parlamentswahlen von 1964 knapp der Labour Party unter Harold Wilson.

1.2.12. Der Kampf gegen die Inflation

Ein zentrales Thema der britischen Geschichte seit Mitte der sechziger Jahre war der Kampf gegen zweistellige Inflationsraten. Die von der konservativen Heath-Regierung (1970-1974) vertretene Strategie eines langsamen aber beständigen Wirtschaftswachstums verfehlte jedoch dieses Ziel. Darüber hinaus erzeugten die Bestrebungen der Regierung, die Rechte der Gewerkschaften zu beschneiden (1971), eine Stimmung des zivilen Ungehorsams bei den Gewerkschaftsführern. 1972 wurde mehr gestreikt als je zuvor seit dem Generalstreik von 1926. Heath hoffte, die Wirtschaftsprobleme durch ein „Floaten” des Pfundes lösen zu können, d. h. durch die Lösung der britischen Währung von ehemals festgelegten, stabilen Wechselkursen. Eine weitere, langfristige Maßnahme war die erneute Bewerbung um Aufnahme des Vereinigten Königreiches in die EG. 1973 wurde der Beitritt schließlich vollzogen, und zwei Jahre später ergab das erste landesweite Referendum der britischen Geschichte, dass dieser Schritt von zwei Dritteln der Bevölkerung unterstützt wurde. 1972 und 1973 versuchte Heath zunächst Löhne und Preise einzufrieren und dann die Lohn- und Preissteigerung schärfstens zu limitieren, stieß jedoch auf den Widerstand der Minenarbeiter. Als Heath sich mit vorzeitigen Neuwahlen im Februar 1974 direkt an die Öffentlichkeit wandte, kamen keine eindeutigen Mehrheiten zustande. Ein Wiederaufleben der Liberalen Partei, das sich im Wahlergebnis manifestierte, versetzte Harold Wilson in die Lage, eine Labour-Minderheitsregierung zu bilden, die sich insgesamt fünf Jahre hielt und zunächst von ihm, ab 1976 von James Callaghan geführt wurde.

1.2.13. Die irische und schottische Frage

Die Regierungen der siebziger Jahre waren auch mit Problemen in Irland und Schottland konfrontiert. Zunächst kam es zwischen einer Bürgerrechtsbewegung, die die soziale Gleichberechtigung der römisch-katholischen Minderheit in Nordirland forderte, und protestantischen Extremisten zu blutigen Zusammenstößen. 1969 stationierte die britische Regierung Truppen in Nordirland, um die öffentliche Ordnung sicherzustellen. 1972 löste sie das selbständige Parlament Nordirlands auf. Daraufhin setzte eine Terrorismuskampagne der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) ein, deren Ziel die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland ist. Die protestantische Mehrheit Nordirlands fordert weiterhin den Verbleib des Gebietes beim Vereinigten Königreich. Die Maßnahmen der britischen Regierung konnten die Welle von Bombenanschlägen und Morden in Nordirland und England allmählich etwas eindämmen, jedoch nicht zum Stillstand bringen. In Schottland konnte die Partei der schottischen Nationalisten in den Parlamentswahlen von 1974 beeindruckende Ergebnisse erzielen, so dass die Regierung Callaghan (1976-1979) erwog, ein teilselbständiges Parlament in Schottland mit Sitz in Edinburgh einzurichten. Da in einem 1979 durchgeführten Referendum jedoch nur 33 Prozent der schottischen Wähler die Pläne unterstützten, wurde das Projekt fallen gelassen und erst 1997 unter der Regierung Blair erneut in einem Referendum zur Wahl gestellt.

1.2.14. Wirtschaftsprobleme unter der Labour-Regierung

Die Labour-Regierung der Jahre 1974 bis 1979 hob zunächst alle gesetzlichen Beschränkungen bei Lohn- und Preissteigerungen auf. Als die Inflationsrate 1975 einen Höchststand von 25 Prozent erreichte, konnte die Regierung schließlich seitens der Gewerkschaften freiwillige Beschränkungen in der Höhe der Lohnforderungen erzielen. Die Inflationsrate ging zwischen 1976 und 1979 etwas zurück. Als Gegenleistung forderten die Gewerkschaftsführer eine Aufhebung gesetzlicher Einschränkungen ihrer Macht und eine verstärkte staatliche Finanzierung von Wohnungsbau und Sozialleistungen. Gegen Ende der siebziger Jahre deutete sich in der politischen Landschaft des Königreiches eine Polarisierung zwischen dem linken Flügel der Labour Party und den Konservativen an. Erstere erhofften sich durch ein stärkeres Eingreifen des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft mehr soziale Gerechtigkeit, Letztere wollten der Privatwirtschaft und der Leistungsfähigkeit des Einzelnen wieder eine zentrale Rolle zukommen lassen. Zu Beginn des Jahres 1979 war die Regierung Callaghan von zwei kleinen Parteien abhängig. Der folgende Winter war von Arbeiterunruhen geprägt, die Callaghans Anspruch, mit den Gewerkschaften erfolgreich verhandeln zu können, den Boden entzogen. Im März 1979 wurde im Parlament ein Misstrauensvotum gegen ihn eingebracht, das zu seinen Ungunsten ausfiel.

1.2.15. Die Thatcher-Ära

Aus den Neuwahlen im April 1979 gingen die Konservativen mit einer soliden Mehrheit der Sitze hervor, und so wurde mit ihrer neuen Parteichefin Margaret Thatcher zum ersten Mal in der britischen und europäischen Geschichte eine Frau Premierministerin eines Staates. Thatcher blieb die nächsten elf Jahre im Amt und absolvierte damit die längste Amtszeit eines Premierministers seit dem Ende der Napoleonischen Kriege.

Thatchers erste Regierungsjahre waren schwierig. Thatcher versuchte, die Inflation nicht durch Einfrieren der Löhne und Preise, sondern mit einer Hochzinspolitik und Kürzungen im Regierungshaushalt einzudämmen. Um 1981 und 1982 begannen diese Maßnahmen einen gewissen Erfolg zu zeigen, der jedoch mit der höchsten Arbeitslosenquote seit den dreißiger Jahren erkauft worden war. Aufgerüttelt wurde die Regierung im April 1982, als Argentinien die Falkland-Inseln besetzte, ein Archipel im Südatlantik, der in britischem Besitz war und seit langem von Argentinien reklamiert wurde. Thatcher entsandte Truppen für eine Gegeninvasion, denen es im Juni gelang, die Inseln zurückzuerobern (siehe Falklandkrieg).

Die deutlichen Wahlsiege der Konservativen im Juni 1983 und Juni 1987 waren zum Teil ein Ergebnis der breiten Zustimmung, die das Vorgehen der Regierung in der Falkland-Krise bei der Bevölkerung ausgelöst hatte, ging zum Teil aber auch auf eine tief greifende Kluft in den Reihen der politischen Opposition zurück. 1980 spaltete sich eine Gruppe von Abgeordneten der Labour Party unter der Führung von Roy Jenkins und David Owen ab und gründete im Jahr darauf die Sozialdemokratische Partei. Diese verbündete sich mit den Liberalen zu einer recht einflussreichen Koalition, die zwar letzten Endes nur relativ wenige Parlamentssitze gewinnen konnte, jedoch immerhin 25 Prozent der abgegebenen Stimmen in den Wahlen von 1983 und 23 Prozent 1987 auf sich vereinen konnte. Durch diese Spaltung war die Opposition insgesamt geschwächt und die Konservativen konnten in den Wahlen erneut Siege davontragen. Labour erzielte in den zwei Wahlen 28 und 31 Prozent der Stimmen und die Konservativen 42 Prozent, sowohl 1983 als auch 1987.

Die Jahre 1982 bis 1988 brachten dem Vereinigten Königreich einen wirtschaftlichen Boom, der von erhöhtem Konsum getragen wurde. Der Lebensstandard der Mehrheit der Briten stieg, und die Arbeitslosenzahl sank, nachdem sie einen Höchststand von drei Millionen überschritten hatte, allmählich ab. Die Industriebetriebe des Vereinigten Königreiches konnten ihre Wirtschaftlichkeit steigern, allerdings schrumpfte der Sektor insgesamt, da viele Unternehmen schließen mussten. London behielt seine Stellung als eines der weltgrößten Finanzzentren. Die direkte Beteiligung der Regierung an der Wirtschaft wurde durch eine von Thatcher eingeleitete Privatisierungswelle reduziert; so wurden beispielsweise das staatliche Monopol für den Betrieb der Fluggesellschaft British Airways, des Telefondienstes und der Strom- und Wasserversorgung privaten Investoren übertragen. Die Bewohner von Sozialwohnungen wurden angehalten, die von ihnen gemieteten Wohnungen zu kaufen. Während dieser Zeit wurden auch Gesetze erlassen, die die Macht der Gewerkschaften drastisch reduzierten. Die Gewerkschaften mussten außerdem einen Schwund ihrer Mitgliederzahlen hinnehmen, ein Ergebnis der hohen Arbeitslosigkeit und des schrumpfenden Industriesektors.

1.2.16. Die Regierung John Major

Zwar hatte Thatcher den Wohlfahrtsstaat nicht abgeschafft, in den Augen ihrer Kritiker aus den Reihen der Opposition hatte die „Eiserne Lady” jedoch den Sozialstaat empfindlich getroffen, etwa in Bereichen wie dem Bildungswesen und dem staatlichen Gesundheitsdienst. Thatchers Rücktritt im November 1990 wurde durch massiven Druck aus ihrer eigenen Partei erzwungen. Entscheidende Faktoren für ihren Sturz waren jedoch auch ein zeitweiser Wiederanstieg der Inflation auf einen zweistelligen Wert, die Einführung der unpopulären „poll tax” (einer Kopfsteuer als Ersatz für die bisherige, einkommensabhängige Kommunalsteuer) sowie die zunehmend ablehnende Haltung der Premierministerin zur Europäischen Union, die einige ihrer Parteikollegen auf deutliche Distanz zu ihr gehen ließ. Thatchers Nachfolger wurde John Major, der die unter Thatcher praktizierte enge Zusammenarbeit mit den USA fortsetzte. Britische Truppen kämpften an der Seite der multinationalen Streitkräfte im Golfkrieg. Bei den Parlamentswahlen im April 1992 konnte Major trotz der damaligen wirtschaftlichen Rezession einen Sieg seiner Partei davontragen, jedoch war die konservative Mehrheit im Unterhaus deutlich reduziert. Labour-Chef Neil Kinnock, der in den vorhergehenden Jahren eine Kurswende seiner Partei vom äußeren linken Spektrum zur politisch-ideologischen Mitte hin herbeigeführt hatte, trat nach den Wahlen zurück, und John Smith trat an seine Stelle. Die Regierung Major sah sich nach den Wahlen mit einer ausufernden Finanzkrise konfrontiert, deren Auslöser die Abwertung des Pfundes innerhalb des Wechselkurssystems, hohe Inflation und Arbeitslosigkeit sowie eine landesweite Rezession waren. Dies bescherte Major in Umfragen die schlechtesten Ergebnisse, die je ein britischer Premierminister erzielte, nämlich nur 14 Prozent Zustimmung seitens der Bevölkerung. 1993 war in der Presse von Kontakten zwischen der Major-Regierung und Sinn Féin, dem politischen Arm der IRA, die Rede. Major und der irische Premierminister Albert Reynolds gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die IRA zu einem dreimonatigen Waffenstillstand aufforderten, nach Ablauf dessen Sinn Féin an Gesprächen über die Zukunft Nordirlands teilnehmen würde. Die Forderung des Sinn-Féin-Chefs Gerry Adams nach Gesprächen ohne jegliche Bedingungen wurde abgelehnt.

Im März 1994 bekannte sich die IRA zu zwei Bombenanschlägen auf dem Londoner Flughafen Heathrow. Die Bomben explodierten jedoch nicht, was zu der Vermutung Anlass gab, dass die IRA versuchte, ihre Verhandlungsposition gegenüber der britischen Regierung zu verbessern. Noch im selben Monat erklärte die IRA einen 72-stündigen Waffenstillstand in Belfast, setzte jedoch nach Ablauf der Frist ihre Terroranschläge fort. Am 31. August 1994 erklärte die IRA einen bedingungslosen Waffenstillstand und sagte zu, zugunsten der Friedensverhandlungen alle Militäraktionen auszusetzen. Im Oktober kündigte auch die Gegenseite, die loyalistisch-protestantische paramilitärische Vereinigung, einen Waffenstillstand an. Beide Waffenruhen hielten bis Mitte des Jahres 1995. Die britische Regierung reagierte auf die Beendigung der Terroraktivitäten mit einer allmählichen Reduzierung ihrer Militärpatrouillen in Nordirland. In März 1995 wurden die ständigen Patrouillen während des Tages in ganz Nordirland ausgesetzt. Die Schritte zur Aufnahme von Gesprächen über die Zukunft des Landes mit allen beteiligten Parteien gerieten jedoch erneut ins Stocken, da die demokratisch-unionistische Partei sich jeglicher Veränderung des Status quo gegenüber ablehnend zeigte und die IRA sich weigerte, ihre Waffen abzugeben. Dennoch wurden im Dezember 1994 direkte Gespräche zwischen Sinn Féin und der britischen Regierung aufgenommen.

Im Mai 1994 starb der Labour-Chef John Smith unerwartet an einem Herzinfarkt. Sein Nachfolger Tony Blair vollendete die Umgestaltung der Labour Party in eine Mitte-Links-Partei, die von Kinnock eingeleitet und von Smith fortgeführt worden war. Im April 1995 stimmte die Partei auf einem Sonderparteitag für den Bruch mit ihrem traditionellen Bekenntnis zur Verstaatlichung, das in Klausel IV der Parteisatzung festgelegt war. Diese und andere Reformen, vor allem die Distanzierung der Partei von den Gewerkschaften, wurden weithin als Zeichen dafür interpretiert, dass Labour sich wieder zu einer potentiellen Regierungspartei gewandelt habe. Den Konservativen bescheinigten die Meinungsumfragen in dieser Zeit eine kontinuierlich niedrige Zustimmung bei der Bevölkerung. Hinzu kamen haushohe Niederlagen bei Kommunalwahlen im April und Mai 1995 sowie eine Reihe von Skandalen. Das schwerwiegendste Problem war jedoch die wachsende Kluft innerhalb der Partei über die Frage der Europapolitik. Im November 1994 weigerten sich neun so genannte Euro-Rebellen aus den Reihen der konservativen Abgeordneten, die Regierung in einer Abstimmung über Finanzleistungen an die EU zu unterstützen und brachen damit demonstrativ aus der Parteidisziplin aus. Im Juli 1995 trat Major als Parteiführer der Konservativen zurück und erzwang eine Neuwahl des Parteichefs. Dies war als Versuch gedacht, den Zusammenhalt der Partei wieder herzustellen. John Major gewann zwar gegen einen antieuropäisch gesinnten Gegenkandidaten, ein Drittel der Abgeordneten stimmte jedoch gegen ihn oder enthielt sich.

Im Februar 1996 brach die IRA ihren Waffenstillstand. Am 9. Februar detonierte in den Londoner Docklands eine Autobombe, die zwei Menschen das Leben kostete; mehr als hundert Menschen wurden verletzt. Die IRA ließ am Abend der Explosion verlauten, dass die britische Regierung und die protestantischen Unionisten ihre Chance auf eine friedliche Lösung des Konflikts verspielt hätten.

1.2.17. Die Regierung Blair

Bei den Unterhauswahlen im Mai 1997 erlebte die konservative Partei unter John Major eine vernichtende Niederlage, und dieser wurde im Juni von William Hague als Parteivorsitzender der Konservativen abgelöst. Tony Blair erzielte mit New Labour den höchsten Wahlsieg der Parteigeschichte und beendete damit die 18-jährige konservative Ära. Blair ist der jüngste Premierminister Großbritanniens in diesem Jahrhundert. Er kündigte an, die Distanz Großbritanniens zu Europa beenden und das Land zu einem führenden Mitglied der EU machen zu wollen. Weitere wichtige Vorhaben der Regierung Blair sind die weit reichende Unabhängigkeit der Bank von England, die Erhebung einer einmaligen Sondersteuer von privatisierten Unternehmen mit Spitzengewinnen zur Finanzierung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms und die Einführung eines Mindestlohnes.

Außenpolitisch erfolgte die Rückgabe der Kronkolonie Hongkong an China vereinbarungsgemäß in der Nacht zum 1. Juli 1997 nach 156 Jahren britischer Kolonialherrschaft. In der Nacht des Machtwechsels rückten 4 000 bewaffnete Soldaten der chinesischen Armee in die Stadt ein. Am selben Tag noch wurde das 1995 erste frei gewählte Parlament Hongkongs durch einen von Peking berufenen „provisorischen Legislativrat” unter der Führung des Großreeders Tung Chee-hwa ersetzt und eine Dependance des chinesischen Außenministeriums eröffnet. Der britische Außenminister Robin Cook verlangte baldige freie und faire Wahlen, die der neue Hongkonger Regierungschef Tung für Mai 1998 in Aussicht stellte. Bei der konstituierenden Sitzung verabschiedete jedoch der neu eingesetzte Legislativrat per Akklamation ohne Gegenstimme ein Gesetzespaket, das u. a. die Bürgerrechte einschränkt und beispielsweise der Polizei erlaubt, Demonstrationen zu verbieten.
Für große Erschütterung weltweit sorgte der plötzliche Tod Prinzessin Dianas nach einer nächtlichen Flucht vor Sensationsreportern, die mit einem Autounfall in der Pariser Innenstadt endete. Auch ihr Freund Dodi al-Fayed und der Chauffeur kamen ums Leben. Die Beisetzung Dianas fand nach einer Trauerfeier in Westminster Abbey in London am 6. September 1997 auf dem Anwesen der Familie Dianas im rund 100 Kilometer westlich von London gelegenen Althorp statt. Die Öffentlichkeit nahm überwältigenden Anteil. Der Tod der Prinzessin hat vor allem in Großbritannien, aber auch im Ausland eine Diskussion über die Grenzen der Pressefreiheit und einen verschärften Persönlichkeitsschutz Prominenter entfacht. Die Reaktion der königlichen Familie auf Dianas Tod war starker öffentlicher Kritik ausgesetzt, da stärkere emotionale Anteilnahme erwartet worden war.
Das im September 1997 durchgeführte Referendum in Schottland und Wales zur Einführung von Landesparlamenten ergab in Schottland eine eindeutige Mehrheit von 74,3 Prozent für ein eigenes Parlament, in Wales stimmte nur eine knappe Mehrheit von 50,3 Prozent für ein Regionalparlament, dem deutlich weniger Kompetenzen eingeräumt werden als dem schottischen.

Nach langen Verhandlungen einigten sich Vertreter der nordirischen Parteien am 10. April 1998 auf ein Abkommen, das den seit Jahrzehnten andauernden Nordirlandkonflikt beenden soll.

Das Abkommen wurde von der britischen Regierung vermittelt, und es wurde möglich, weil der Vorsitzende der Ulster Unionist Party (UUP), David Trimble, und der Führer der Sinn Féin, Gerry Adams, sich kompromissbereit zeigten. Der Kongress der UUP, der größten protestantischen Partei Nordirlands, sprach sich inzwischen mit deutlicher Mehrheit für das Abkommen aus, während die katholische Sinn Féin, die nach dem Waffenstillstand der IRA im September 1997 erstmals an den Friedensgesprächen teilnehmen durfte, die Abstimmung zunächst verschob.

Drei neue Institutionen sollen laut Friedensabkommen die Sonderverwaltung ablösen, durch die Großbritannien Nordirland seit 1972 direkt kontrolliert: Die Regionalversammlung befasst sich mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, mit Finanzen, Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen. Wichtige Vorlagen müssen bei beiden Konfessionen eine Mehrheit finden. Der besonders von der Sinn Féin, dem politischen Arm der IRA, geforderte Nord-Süd-Rat dient der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Nordirland und der Republik Irland, besitzt aber keine exekutiven Befugnisse. Im Rat der Insel diskutieren zweimal pro Jahr Vertreter aus Schottland, Wales, Nordirland, Irland und England.

Auch sind noch eine Reihe von Problemen wie die Amnestie politischer Häftlinge und die Umstrukturierung der von Protestanten dominierten nordirischen Polizei zu lösen. Und nach wie vor gilt es, die „gegenseitige Anerkennung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit” umzusetzen, zu der die Konfliktparteien sich verpflichtet haben. Dies bedeutet u. a., dass die zahlreichen Benachteiligungen, die Katholiken in Nordirland noch immer täglich erfahren, einem gleichberechtigten Miteinander weichen. Über die Annahme der geschlossenen Vereinbarung zur Lösung des Nordirlandkonflikts entschied in beiden Teilen der Insel ein am 22. Mai 1998 durchgeführtes Referendum. Am 25. Juni wählten die Nordiren eine 108 Mitglieder umfassende Regionalversammlung mit Sitz in Belfast. Davon fielen 80 Sitze an Parteien, die das Friedensabkommen unterstützen, und 28 Sitze an protestantische Gegner des Friedensprozesses. Die Weigerung der IRA, mit der Entwaffnung zu beginnen, störte die politische Entwicklung jedoch erheblich. Im Dezember 1998 einigten sich die im nordirischen Regionalparlament vertretenen Parteien schließlich in mehreren Punkten auf die konkrete Ausgestaltung des Stormont-Abkommens.

Großbritannien und Spanien einigten sich im Juli 1998 über eine militärische Nutzung von Gibraltar im Rahmen der NATO. An der Seite von US-Streitkräften beteiligten sich britische Truppen im Dezember 1998 an einem mehrere Tage dauernden Militärschlag gegen den Irak.

Im März 1999 verabschiedete das Unterhaus einen Plan zur Modernisierung des Oberhauses. Mit einer von Ober- und Unterhaus im Oktober 1999 verabschiedeten Reform wurden die 750 Erbsitze abgeschafft.

Im Mai 1999 wurden in Schottland und Wales Wahlen für eigene Regionalparlamente abgehalten. In Schottland wurde die Labour Party stärkste politische Kraft vor der Scottish Nationalist Party. Dem schottischen Parlament wurden von der britischen Regierung weit reichende gesetzgeberische Kompetenzen übertragen. Es kann auch in kommunalpolitischen und sozialen Fragen autonom entscheiden. Außerdem wird es über eine beschränkte Steuerhoheit verfügen, bei der es über die Verteilung der von London zugewiesenen Mittel aus dem Finanzhaushalt bestimmen wird. In Wales setzte sich die Labour Party vor der Plaid Cymru Party durch. Im Unterschied zum Parlament in Schottland verabschiedet das walisische keine eigenen Gesetze. Seine wesentliche Aufgabe liegt in der Kontrolle des Ministeriums für Wales.

Der Friedensprozess in Nordirland stagnierte lange Zeit, da die Bildung einer nordirischen Regionalregierung scheiterte. Die Unionisten weigerten sich, Sinn Féin an der Regierung zu beteiligen, solange die IRA nicht zur Entwaffnung bereit wäre. Erst im November 1999 erklärten sich die protestantische und die katholische Seite zur vollständigen Umsetzung des Stormont-Abkommens bereit. Am 29. November 1999 konstituierte sich die nordirische Regionalregierung entsprechend dem Proporz der im Regionalparlament vertretenen Parteien. Am 1. Dezember 1999 übertrug die britische Regierung der nordirischen Regionalregierung weit reichende Machtbefugnisse. Nordirland verfügte damit über umfangreiche Autonomierechte.

Großbritannien suspendierte am 11. Februar 2000 die neue Allparteienregierung des Regionalparlaments und stellte Nordirland vorläufig wieder unter die Direktherrschaft Londons. Hintergrund der Entscheidung war die Weigerung der katholischen Untergrundorganisation IRA, mit der im Nordirland-Friedensabkommen vereinbarten Waffenabgabe zu beginnen. Wenige Tage später erklärte die IRA ihren Ausstieg aus den Abrüstungsverhandlungen. Unterdessen legten die Regierungen Großbritanniens und der Republik Irland einen Plan vor, der als Gegenleistung für die Abgabe der Waffen eine Reduzierung der britischen Militärpräsenz in Aussicht stellt.
Autor:Robert Morten
Datum:Donnerstag, 2.August.2001, 18:56
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