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Alle Artikel zu England und dem Vereinigten Königreich auf einen Blick
Thema: England und Großbritannien
Z.Zt. sind ca. 420 Artikel zu England und Großbritannien in 5 Rubriken in dieser Datenbank erfaßt. So finden Sie in Standard die Hauptartikel zu Britannia, in Hintergrund die Informationen der Hauptartikel im europäischen oder geschichtlichen Zusammenhang und mit größerer Detaillierung, in Biografie die Kurzbiografien der in Standard und Hintergrund angesprochenen handelnden Personen, in Kommentar zukünftig meine subjektive Bewertungen und Anmerkungen und in Sonstiges Detailinformationen zu Dynastien, Schauplätzen, Dokumenten und vielem anderen mehr.

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17.07.2001; Robert Morten

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Titel:Großbritannien im Überblick
Untertitel:Land und Leute - Klima, Flora und Fauna - Bildung und Kultur - Staat und Politik - Wirtschaft
kat:Standard
subkat:Standard
subsubkat: 
aufmacher:Großbritannien, offiziell United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland), Inselstaat und parlamentarische Monarchie im Nordwesten Europas, Mitglied der Europäischen Union und des Commonwealth of Nations.
text:1. Einleitung

Der Name Großbritannien entstand als Gegenbegriff zu dem im Englischen als Little Britain (Kleinbritannien) bezeichneten französischen Gebiet Bretagne. Großbritannien umfasst England, Schottland, Wales und Nordirland (auch als Ulster bezeichnet) im nordöstlichen Teil der Insel Irland; der restliche Teil dieser Insel gehört zum unabhängigen Staat Republik Irland. Zum britischen Staatsgebiet gehören zahlreiche Inseln, darunter die Isle of Wight, Anglesey, die Scilly-Inseln, die Orkney-Inseln, die Shetland-Inseln und die Hebriden. Das Vereinigte Königreich grenzt im Süden an den Ärmelkanal, der es vom europäischen Festland trennt, im Osten an die Nordsee und im Westen an die Irische See und den Atlantischen Ozean. Die einzige Landgrenze des Staatsgebiets ist die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland. Die Landesfläche Großbritanniens beträgt 244 110 Quadratkilometer. Die Hauptstadt und zugleich größte Stadt ist London.

Die Isle of Man und die Kanalinseln unterstehen direkt der britischen Krone und gehören nicht zum Vereinigten Königreich. Sie verfügen über eigene Parlamente und ein eigenes Rechtswesen. Der britischen Regierung unterstehen sie nur in der Außen- und Verteidigungspolitik. Die verschiedenen abhängigen Gebiete (dependent territories) unterstehen in den Bereichen Landesverteidigung, Außenpolitik, innere Sicherheit und öffentliche Dienste ebenfalls der britischen Regierung, die im Allgemeinen durch einen vom Königshaus ernannten Gouverneur vertreten wird. Zu diesen abhängigen Gebieten gehören Anguilla, die Bermuda-Inseln, das British Antarctic Territory, die British Virgin Islands (Jungferninseln), die Cayman-Inseln, die Falkland-Inseln, Gibraltar, Montserrat, Sankt Helena und zugehörige Gebiete (Ascension und Tristan da Cunha), Südgeorgien und die Südsandwich-Inseln sowie die Turks- und Caicos-Inseln. Die Kronkolonie Hongkong war von 1842 bis 1997 abhängiges Gebiet und wurde dann an China zurückgegeben.

2. Land

Die maximale Längenausdehnung Großbritanniens beträgt circa 1 260 Kilometer; der nördlichste Punkt ist Out Stack vor Unst auf den Shetland-Inseln, der südlichste ist Saint Agnes auf den Scilly-Inseln. Die maximale Breite beträgt 670 Kilometer zwischen Lough Melvin im Südwesten Nordirlands und Lowestoft in Suffolk. Infolge der stark zergliederten Küste ist kein Ort der Britischen Inseln weiter als etwa 120 Kilometer vom Meer entfernt.

Gemessen an der Größe des Staatsgebiets ist die Landschaft überaus abwechslungsreich und weist oft scharfe Kontraste auf engstem Raum auf. Diese Vielfalt spiegelt zum Teil das geologische Fundament wider; es reicht von den alten präkambrischen Gesteinen der schottischen Highlands bis zu den jüngeren, aus dem Quartär stammenden Ablagerungen im Gebiet der Fens in Ostengland. Das gesamte Gebiet Großbritanniens war mit Ausnahme des Bereichs südlich der Mündungen von Themse und Severn in England während der Eiszeiten im Pleistozän von Gletschereis bedeckt. Zu den weiten Regionen, die durch die Tätigkeit von Gletschern und den nacheiszeitlichen Schmelzwässern entstanden, gehören Lake District in England, die Seen Nordirlands, die Täler von Wales und der Großteil der schottischen Landschaft mit ihren Seen. Auch der Einfluss des wirtschaftenden Menschen hat seinen Teil zur Umgestaltung der Landschaft beigetragen. Dies zeigt sich vor allem im Flachland Südenglands, in den Norfolk Broads, in den Fens und in den Mooren Nordschottlands.

2.1. Physische Geographie

Die britische Hauptinsel gliedert sich geographisch in zwei Hauptregionen, das Hochland und das Tiefland. Die Trennungslinie verläuft von der Mündung des Flusses Exe in Devon in nordöstlicher Richtung zur Mündung des Flusses Tees. Schottland und Wales liegen im Hochlandbereich, ebenso der Norden, Nordwesten und Südwesten Englands. Schottland ist in drei geographische Räume gegliedert: die Highlands, die gebirgigste Region im Vereinigten Königreich, in der mit dem Ben Nevis (1 343 Meter) auch dessen höchster Gipfel liegt, ferner das schottische Tiefland (Central Lowlands) und die Southern Uplands. Wales umfasst hauptsächlich die Cambrian Mountains, in denen der höchste Gipfel von England und Wales, der Mount Snowdon (1 085 Meter), liegt. England wird im Osten und Südosten von ausgedehnten Tieflandgebieten eingenommen. Im Norden, Nordwesten und Südwesten breiten sich große Hochlandregionen aus; dies sind die Pennines im Norden, die Cumbrian Mountains im Nordwesten sowie Exmoor (Exmoor Nationalpark) und Bodmin Moor im Südwesten.

Das Sperrin- und das Antrim-Gebirge im Norden und Nordosten Nordirlands stellen die Fortsetzung der schottischen Highlands dar. Das dazugehörige Massiv der Mourne Mountains, in dem der höchste Gipfel Nordirlands, der Slieve Donard (852 Meter) liegt, grenzt an eine Tieflandregion in der Umgebung des Lough Neagh (396 Quadratkilometer), des größten Süßwassersees im Vereinigten Königreich.

2.2. Klima

Das Klima Großbritanniens ist gemessen an der Lage des Landes recht mild. Seine geographische Breite entspricht der von Labrador in Kanada; das milde Klima wird durch die Meeresnähe bewirkt, vor allem durch den Einfluss des warmen Golfstromes. Die vorherrschenden Winde aus Südwest, die im Winter einen mildernden Einfluss auf die Temperaturen ausüben und die Tiefdruckgebiete heranführen, beeinflussen das tägliche Wetter der Insel. In den westlichen Landesteilen ist es meist wärmer als im Osten, und der südliche Landesteil ist durch mildere Temperaturen gekennzeichnet als der Norden.

Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 6 °C im hohen Norden Schottlands und beträgt etwa 11 ° C im Südwesten Englands. Im Winter fallen die Temperaturen selten unter -10 °C, die Sommertemperaturen übersteigen nur in Ausnahmefällen 32 °C. Die Winde bringen vom Meer her reichlich Feuchtigkeit; die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge liegt landesweit knapp über 1 000 Millimeter; sie variiert zwischen etwa 5 000 Millimetern in den westlichen Highlands und unter 500 Millimetern in Teilen East Anglias. Regen fällt grundsätzlich das gesamte Jahr hindurch; zu den niederschlagsreichsten Gebieten zählen vor allem Schottland, Wales und Nordengland.

2.3. Flora und Fauna

Die Pflanzenwelt des Vereinigten Königreiches ist so vielfältig wie seine Landschaften. Jahrhunderte menschlicher Besiedlung haben die Vegetation stark verändert. Weite Landesteile, mit Ausnahme der Berge und Moorgebiete im Norden und Westen sowie der Sumpfgebiete, waren früher in dichten, von Eichen dominierten Laubwald gehüllt. Heute sind nur noch Reste dieses ursprünglichen Waldes vorhanden. Die Bestände bedecken etwa 7 Prozent der Fläche Englands, 15 Prozent in Schottland, 12 Prozent in Wales und 5 Prozent in Nordirland. Seit der Gründung einer Waldkommission (Forestry Commission) 1919 hat sich die Waldfläche verdoppelt. Bei dieser Kommission handelt es sich um ein Regierungsressort, das für den Schutz und die Entwicklung der Waldbestände im Vereinigten Königreich zuständig ist.

Etwa ein Viertel des Staatsgebietes, hauptsächlich in Schottland, Südwestengland, Wales und Nordirland, weist Heideland (moorlands) auf. Diese Gegenden erscheinen zwar wild und unberührt, wurden aber durch Weidetätigkeit und Brandrodungen beeinflusst. Zu den Pflanzen dieser Gegenden gehören Heidekraut, Ginster, Vogelbeere und Blaubeere. In feuchten Gebirgsregionen gibt es die in Mitteleuropa nicht vorkommenden Deckenmoore. Mit der Trockenlegung der großen Sumpfgebiete des Landes, wie den Fens in East Anglia und den Somerset Levels, wurde schon vor über 200 Jahren begonnen. Allmählich wurden sie in Weide- und Ackerland umgewandelt, das heute vielerorts durch Einfriedung mit Feldhecken eine charakteristische Kulturlandschaft darstellt. Kleinere Feuchtgebiete wie Marschen, Sumpfwiesen und Flussmündungsgebiete entgingen bis 1945 solchen Veränderungen. Seither führte jedoch ein erhöhter Bedarf an Ackerland und Baugebieten auch hier zu umfangreichen Eingriffen.
Wild lebende Großsäugetiere sind Rothirsche und Rehe sowie die eingebürgerten Damhirsche, Sikahirsche, Wasserrehe und Muntiaks (die beiden letzteren in Südengland). Die früher heimischen Wölfe und Wildschweine wurden ausgerottet. In Exmoor, auf den Shetland-Inseln und im New Forest gibt es halbwilde Ponys. Insgesamt entspricht die Säugetierfauna Großbritanniens weitgehend derjenigen Mitteleuropas. Das Eichhörnchen wird durch das ausgesetzte nordamerikanische Grauhörnchen verdrängt. In Südengland lebt das ebenfalls eingebürgerte Benett-Känguru; eine weitere ursprünglich nicht heimische Säugetierart ist der Mink, ein nordamerikanischer Verwandter des Nerzes. An den Küsten leben Seehunde und Kegelrobben.

Die Britischen Inseln bieten zahlreichen Vögeln verschiedenartige Lebensräume, sie liegen im Zentrum eines Netzes von Vogelzugrouten. Rund 200 Arten sind hier das gesamte Jahr über heimisch, häufig sind (wie in Mitteleuropa) Amsel, Buchfink, Star und Haussperling. Auf Grund der langen Küstenlinien sind zahlreiche Meeresvögel anzutreffen. Dazu gehören Eistaucher, Sturmvögel, Sturmschwalben, Seeschwalben, Möwen, Enten, Kormorane, Krähenscharben, Papageitaucher, Trottellummen und Tordalken. In den Flussmündungsgebieten haben viele Enten, Gänse und andere Wasservögel ihr Winterquartier. Die Reptilienfauna besteht aus Wald- und Zauneidechsen, Blindschleichen, Schlingnattern, Ringelnattern und Kreuzottern, an den Küsten erscheinen Meeresschildkröten. Zahlreiche Fische fallen der Wasserverschmutzung zum Opfer; Speisefische werden vorwiegend von Fischfarmen geliefert. Häufige Süßwasserfische sind Lachs, Forelle, Plötze, Flussbarsch und Hecht. Zu den von Fischern angelandeten Meeresfischen gehören Kabeljau, Schellfisch, Scholle, Makrele und Hering.

3. Bevölkerung

Großbritannien hat 59,2 Millionen Einwohner (2000). Daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 243 Einwohnern pro Quadratkilometer. Das jährliche Bevölkerungswachstum liegt durchschnittlich bei 0,22 Prozent. Die mittlere Lebenserwartung beträgt für Männer 74,9 Jahre und für Frauen 80,3 Jahre (2000).

Die Bevölkerung Englands macht 80 Prozent der Gesamtbevölkerung im Königreich aus, zugleich ist England mit einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von 371 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Teil des Gesamtstaates. 10 Prozent der britischen Bevölkerung sind Schotten, 4 Prozent sind Iren (Nordirland) und 2 Prozent sind Waliser. Hinzu kommen 1 Prozent Inder und Angehörige anderer Volksgruppen (insgesamt 3 Prozent). Die Angehörigen der ethnischen Minderheiten leben hauptsächlich in den städtischen und industriellen Ballungszentren Englands, besonders im Südosten und in den Midlands.

Großbritannien ist unter den größeren Nationen der Welt einer der am stärksten verstädterten Staaten. 89 Prozent der Bevölkerung leben in Großstädten oder mittleren und kleinen Städten. So konzentrieren sich ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung Großbritanniens in den sieben großen städtischen und industriellen Ballungszentren der Insel. Diese erstrecken sich im Umfeld der Städte London, Manchester, Liverpool, Sheffield, Birmingham, Newcastle upon Tyne und Leeds. Mit Ausnahme von London wuchsen diese Städte nach dem Beginn der industriellen Revolution zu bedeutenden Zentren der verarbeitenden Industrie, des Bergbaus oder des Handels heran. Die Konzentration von zwei Dritteln der walisischen Bevölkerung in den Tälern im Süden und von drei Vierteln der schottischen Bevölkerung im zentralen schottischen Tiefland rund um Glasgow und Edinburgh hat ähnliche Wurzeln.

3.1. Wichtige Städte

Hauptstadt, Regierungssitz und zugleich größte Stadt Großbritanniens ist London mit 7,07 Millionen Einwohnern (1996). London ist zugleich die Hauptstadt von England. Die schottische Hauptstadt ist Edinburgh (448 850), die walisische ist Cardiff (315 040) und die nordirische ist Belfast (297 300). Abgesehen vom schottischen Glasgow (616 430) liegen alle anderen Großstädte des Königreiches in England, darunter Birmingham (1,02 Millionen), Leeds (726 939), Sheffield (530 375), Manchester (430 818) und die Hafenstädte Liverpool (467 995) und Bristol (399 633).

3.2. Sprache

Die Amtssprache Großbritanniens ist Englisch. Als gesprochene Sprache ist das Englische jedoch keineswegs homogen. Es gibt ausgeprägte regionale und lokale Dialekte, wenn auch die früher vorhandenen, über ein eigenes Vokabular verfügenden Dialektformen des Englischen bis heute viel von ihren Eigenheiten verloren haben. Die keltischen Sprachen der ursprünglichen Bevölkerung werden heute noch in Schottland und vor allem in Wales gesprochen. In jüngster Zeit erlebten sie sogar eine Art Renaissance, die mit dem Wiederaufkommen patriotischer Tendenzen in beiden Ländern in Verbindung steht. In Wales sprechen etwa 19 Prozent der Einwohner Walisisch, das nach wie vor die Muttersprache der meisten Bewohner des Nordens und Westens von Wales ist. In vielen Schulen ist neben Englisch auch Walisisch Unterrichtssprache. Auch das Fernsehen bietet ein walisischsprachiges Programm an. Nach jahrzehntelangen Kampagnen der Nationalisten ist das Walisische nun seit 1993 neben Englisch Amtssprache. In Schottland gibt es (vor allem auf den Hebriden) noch rund 80 000 Menschen, die Gälisch sprechen. Auch in Nordirland wird Gälisch gesprochen, allerdings wird dies nicht gefördert.

3.3. Religion

Die Glaubensfreiheit wird im Vereinigten Königreich durch mehrere zwischen dem 17. und frühen 20. Jahrhundert verabschiedete Gesetze gewährleistet. Seit dem 18. Jahrhundert spielt die Religion in der Politik des Staates kaum noch eine Rolle. Allerdings wurden in Nordirland die politischen und kulturellen Gegensätze zwischen den Nachfahren der ursprünglichen irischen Bevölkerung und der englischen und schottischen Siedler anhand des vordergründigen religiösen Gegensatzes offen gelegt. Diese in Wahrheit ausschließlich politisch motivierten Konflikte entladen sich seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Gewalttaten und terroristischen Akten von katholischen und protestantischen Gruppen (siehe Nordirland: Geschichte). Die Nachfahren der englischen und schottischen Einwanderer, welche die Bevölkerungsmehrheit in Nordirland stellen, sind fast ausschließlich protestantisch und befürworten den Verbleib Nordirlands beim Vereinigten Königreich. Die ursprüngliche irische Bevölkerung ist überwiegend katholisch und mehrheitlich für den Anschluss an die Republik Irland.

Im Vereinigten Königreich sind fast alle größeren Religionen der Welt vertreten. Das Christentum stellt die weitaus größte Glaubensgemeinschaft dar. Es gibt zwei Staatskirchen, die anglikanische Kirche (Church of England) und die presbyterianische schottische Staatskirche (Church of Scotland). Rund 57 Prozent der Bevölkerung gehören der anglikanischen Glaubensgemeinschaft an, die vor allem durch die Church of England vertreten wird, zu der jedoch auch die Church of Wales, die Scottish Episcopal Church und die Church of Ireland gehören. 1993 entschied die Jahressynode der anglikanischen Kirche, Frauen für das Priesteramt zuzulassen und beschwor damit für kurze Zeit die Gefahr einer Kirchenspaltung herauf. Da sowohl Gläubige als auch Priester die Entscheidung ablehnten, kam es zu einem Kompromiss, der jedoch nicht verhindern konnte, dass im März 1994 anlässlich der Priesterweihe der ersten Priesterinnen 136 anglikanische Geistliche zum Katholizismus konvertierten. Von der Church of Wales wurde die Frauenordination 1994 abgelehnt, von der Church of Scotland hingegen angenommen.

15 Prozent der Bevölkerung gehören anderen protestantischen Kirchen an (davon 4 Prozent der presbyterianischen Kirche). Rund 13 Prozent der Gesamtbevölkerung im Vereinigten Königreich sind römisch-katholisch (in Nordirland 25 Prozent) und 1 Prozent sind Methodisten. Etwa 1,5 Prozent bekennen sich zum Islam, daneben gibt es große Hindu-, Sikh- und jüdische Gemeinden. Die jüdische Gemeinde im Vereinigten Königreich zählt 300 000 Mitglieder und ist damit die zweitgrößte Europas. Weiterhin gibt es kleinere Gemeinden des Jainismus, des Zoroastrismus und des Bahaismus. Die am stärksten anwachsenden Glaubensgemeinschaften des Königreiches sind der Islam und das evangelische Christentum. Ein wachsender Prozentsatz der Bevölkerung bekennt sich zu keiner Religion und ist beispielsweise Mitglied in Körperschaften wie der British Humanist Association (Britische humanistische Gemeinschaft) und der National Secular Society (Nationale weltliche Gesellschaft).

3.4. Soziales

Medizinische Leistungen nimmt die große Mehrheit der Briten nach wie vor vom staatlichen Gesundheitsdienst (NHS: National Health Service) in Anspruch. Er wurde 1948 gegründet und wird vorwiegend aus allgemeinen Steuermitteln finanziert, wobei der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge rund 10 Prozent der Gesamtkosten deckt. Der Gesundheitsdienst bietet vollständige medizinische Betreuung, die meist unentgeltlich oder gegen geringe Gebühren geleistet wird. Einige Personengruppen sind grundsätzlich von Gebühren befreit: Kinder, Frauen während der Schwangerschaft und im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes, Empfänger von Arbeitslosenunterstützung oder anderen staatlichen Hilfen und Menschen mit bestimmten chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie zahlen keine Gebühren für Verschreibungen, Zahnbehandlung und Zahnersatz, Sehtests und Brillen sowie von den lokalen Behörden angebotene Leistungen wie Impfungen. Die Gebühren für die nicht befreiten Leistungsempfänger sind seit den siebziger Jahren beständig angestiegen und entsprechen inzwischen in manchen Fällen den vollen Kosten der medizinischen Behandlung. Krankenhausaufenthalte sind jedoch nach wie vor gebührenfrei.

Auf einen Arzt kommen durchschnittlich 667 Einwohner. Die meisten allgemeinmedizinischen Ärzte im Vereinigten Königreich sind Mitglieder des staatlichen Gesundheitsdienstes, einige haben allerdings daneben auch Privatpatienten; dasselbe gilt für die meisten Apotheker sowie Fachärzte wie Chirurgen und Krankenhausfachärzte, Radiologen und Physiotherapeuten. Die Zahl der Zahnärzte, die im Rahmen des staatlichen Gesundheitsdienstes tätig sind, ist jedoch in den späten achtziger Jahren dramatisch zurückgegangen, was auch auf die Reduzierung der staatlichen Zahlungen an die Zahnärzte des NHS zurückzuführen ist.

Ein 1990 von den Konservativen verabschiedetes Gesetz zum NHS und Gesundheitswesen brachte tief greifende und oft äußerst umstrittene Änderungen in der Verwaltung des NHS und in der Patientenversorgung mit sich. Die Gesundheitsbehörden vor Ort wurden zu „Einkäufern” von Gesundheitsdiensten für die Patienten umfunktioniert; sie erhielten staatliche Finanzmittel, um durch Verträge mit Hospitälern und anderen medizinischen Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Sektors medizinische Leistungen einkaufen zu können. Krankenhäuser werden direkt bezuschusst, die Höhe der Geldmittel richtet sich nach der Anzahl der behandelten Patienten. Die Krankenhäuser können außerdem beantragen, in selbstverwaltete Treuhandgesellschaften – unabhängig von den lokalen Gesundheitsbehörden, jedoch nach wie vor innerhalb des staatlichen Gesundheitsdienstes – umgewandelt zu werden. Allgemeinärzte, die in größeren Arztpraxen beschäftigt sind, können selbst Empfänger staatlicher Fonds werden. Sie erhalten dann ein jährliches Budget direkt von der Gesundheitsbehörde, mit dem sie bestimmte medizinische Leistungen von Krankenhäusern für ihre Patienten erwerben können. Das Ziel dieser Gesundheitsreform war, die Effizienz des Gesundheitswesens durch die Einführung eines freien Wettbewerbs zu erhöhen und die Versorgung und Auswahlmöglichkeiten der Patienten zu verbessern. Hierzu wurde auch eine Patientencharta erlassen, in der Richtlinien über maximale Wartezeiten für Krankenhausbehandlungen in nicht dringenden Fällen festgelegt sind. Außerdem versuchte die Regierung durch die Reformen, die Patienten verstärkt zum Abschluss privater Krankenversicherungen zu ermuntern. Kritiker sehen jedoch die Gefahr, dass durch die Reform ein Zweiklassengesundheitsdienst entsteht, der Patienten in Praxen mit staatlichem Budget rascher zu einer Behandlung verhilft als Patienten in traditionellen Praxen. Gegen die neu gegründeten Krankenhaus-Treuhandgesellschaften wurde vorgebracht, dass sie nicht ausreichend für ihre Ausgaben und die Art ihrer Aufnahme von Patienten zur Verantwortung gezogen werden können.

Das nationale Sozialversicherungssystem, das 1948 in vollem Umfang in Kraft trat, umfasst Leistungen im Fall von Arbeitsunfällen, Krankheit und Arbeitslosigkeit, Mutterschaftsgeld, Unterhalt für Kinder in bestimmten Situationen, Beihilfen für Personen, die als Vormund tätig sind, Witwengeld, Renten sowie Beerdigungskosten. Rentenanspruch besteht zurzeit für Männer ab 65 Jahren und Frauen ab 60 Jahren. Eine Angleichung des weiblichen Rentenalters auf 65 Jahre ist jedoch geplant und soll stufenweise ab dem Jahr 2010 umgesetzt werden. Kindergeld wird für alle Kinder bis zum Alter von 16 Jahren bzw. bis zur Beendigung der Schulzeit gezahlt. Das Sozialversicherungssystem leistet Bedürftigen Unterstützung in Form von wöchentlichen Geldzuschüssen und bietet besondere Leistungen für Behinderte. Der Großteil der genannten Leistungen wird zum Teil über wöchentlich entrichtete Pflichtbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert und zum Teil aus Mitteln des allgemeinen Steueraufkommens; nahezu alle Leistungen sind einkommensabhängig. Die Ausgaben für das Sozialwesen und den staatlichen Gesundheitsdienst betragen über ein Drittel des gesamten jährlichen Finanzhaushalts der Regierung.

4. Bildung und Kultur

Im Verlauf seiner Geschichte hat das britische Bildungswesen im Ausland vor allem durch den Ruf der so genannten Public Schools, privater Elitegymnasien mit Internat, ein hohes Ansehen erlangt. Viele dieser Schulen wurden im Mittelalter zunächst als wohltätige Einrichtungen zur Erziehung und Ausbildung der häufig mittellosen Knaben einer Gemeinde gegründet (daher der Name Public Schools: öffentliche Schulen). Institute wie das Eton College, die Harrow School und die Rugby School entwickelten sich jedoch schließlich zu Einrichtungen, die gegen Schulgebühren fast nur noch Jungen aus den wohlhabendsten Schichten des Vereinigten Königreiches und des Auslands unterrichteten. Daneben bieten die meisten dieser Schulen jedoch auch Stipendien für begabte Kinder aus sozial schwächer gestellten Familien an.

Tatsächlich besuchen jedoch nur etwa 7 Prozent der Kinder in Großbritannien die Public Schools: die große Mehrheit geht auf staatliche Schulen. Das staatliche Schulsystem weist in England und Wales die gleiche Grundstruktur auf, verfügt aber in den beiden Ländern über unterschiedliche Entstehungsgeschichten und spiegelt die jeweils unterschiedliche Kultur wider. Auch Nordirland besitzt ein ähnliches staatliches Schulsystem, das Schulsystem Schottlands hingegen ist deutlich anders strukturiert. Verwaltungstechnisch ist das Ministerium für Erziehung und Wissenschaft für das gesamte Bildungswesen in England und die Universitäten in Großbritannien und Nordirland verantwortlich, in Schottland und Wales gibt es eigene Ministerien für den Bildungsbereich. Das Bildungswesen in Nordirland wird vom Kabinettsministerium für Nordirland geregelt, das fünf regionale Bildungsausschüsse hat.

Das britische Schulwesen weist einige Eigenwilligkeiten auf: Auf die freiwillige Vorschule (Nursery School) folgen die Infant School (5.-8. Lebensjahr) und die Junior School (8.-12. Lebensjahr). Alternativ existiert die First School (6.-9., manchmal auch bis zum 11. Lebensjahr), die von der Middle School gefolgt wird. In der Sekundarstufe überwiegt die differenzierte Comprehensive School (mit oder ohne Oberstufe bzw. einem dem deutschen Abitur vergleichbaren Abschluss). Die Secondary Modern School entspricht in etwa der deutschen Hauptschule. Daneben gibt es in Schottland und Nordirland noch einige weitere Schultypen mit unterschiedlicher Ausrichtung und Altersstaffelung. Allgemeine Schulpflicht besteht für eine Dauer von 11 Jahren.

Neben dem mit zahlreichen berühmten Namen verbundenen traditionsreichen Hochschulwesen (Oxford, Cambridge etc.) wurde in den sechziger Jahren mit den Polytechnics ein der deutschen Fachhochschule entsprechender Ausbildungszweig geschaffen. Demgegenüber ist die berufliche Bildung wenig bis überhaupt nicht in allgemein verbindlichen Ausbildungswegen organisiert. Betriebe unterhalten häufig eigene Ausbildungseinrichtungen oder entsenden ihre Mitarbeiter auf private Berufsschulen. Staatliche Initiativen wie das 1983 ins Leben gerufene Youth Training Scheme (YTS), Fortbildungs- und Umschulungsprogramme (Job Training Scheme, JTS) versuchen in neuerer Zeit, die Defizite abzubauen. Einen hohen Stellenwert nimmt vor diesem Hintergrund die Erwachsenenbildung (Further Education) ein, die – zum Teil über Fernunterricht – qualifizierte Abschlüsse vermittelt.

4.1. Kunst

Dank des reichen kulturellen Erbes konnte die wachsende Tourismusbranche in Großbritannien gerade im Bereich der vielen vom wirtschaftlichen Niedergang betroffenen Regionen und Bereichen einen neuen Weg weisen; so wurden seit den achtziger Jahren mehr und mehr „lebende” Museen gegründet, in denen die ländliche und industrielle Vergangenheit des Landes anschaulich dargestellt wird. Dieser explosionsartig angewachsene Zweig der Tourismusindustrie trägt im Englischen die Bezeichnung British heritage (britisches Erbe). Jedes Jahr werden auf diese Weise fast 20 Millionen Menschen ins Land gelockt.

Die meisten Theater, Orchester und Galerien finden sich in London. Aber auch Schottland, Wales und Nordirland sowie die Regionen Englands verfügen über ein lebendiges kulturelles Erbe.

Früheste Zeugnisse der englischen Kunst und Architektur haben sich im Bereich der Ornamentkunst erhalten, die sich häufig von skandinavischen Holzschnitzereien beeinflusst zeigt. Die Malerei beschränkte sich nach der Christianisierung des Landes zunächst hauptsächlich auf die Buchillustration. Nordirland hatte zu dieser Zeit erheblichen Anteil an der Blüte der keltischen Kunst. Vom bildhauerischen Können der Zeit zeugen vor allem die Steinkreuze aus Northumbria und dem Südwesten Schottlands. Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert entstanden die romanischen und gotischen Kathedralen Englands als herausragende Kunstwerke ihrer Zeit. Im 17. und 18. Jahrhundert führten Architekten wie Inigo Jones und Sir Christopher Wren die Renaissance- und Barockarchitektur in England ein.

Die bildende Kunst des Vereinigten Königreiches war wie die Architektur stark von den Entwicklungen auf dem europäischen Festland beeinflusst. So wurden die herausragendsten Gemälde Englands vor dem 18. Jahrhundert von Ausländern wie dem deutschen Maler Hans Holbein dem Jüngeren oder dem flämischen Maler Sir Anthonis van Dyck geschaffen. Im 18. Jahrhundert bildete sich allmählich ein eigenständiger britischer Stil heraus, der sich vor allem in den Werken der Porträtmaler William Hogarth, Sir Joshua Reynolds, Thomas Gainsborough und George Romney in England sowie Sir Henry Raeburn in Schottland manifestierte. Gainsborough leistete ebenso wie John Crome oder Richard Wilson Wegbereitendes im Bereich der Landschaftsmalerei, die in der Folge für die britische Malerei typisch werden sollte. Spezifisch englische Stilrichtungen entstanden im 18. Jahrhundert aber auch im Bereich der Möbel- und Porzellanmanufakturen, namentlich bei Thomas Chippendale, Thomas Sheraton und Josiah Wedgwood. Zur selben Zeit etablierte Capability Brown einen naturalistischen Stil in der Landschaftsgärtnerei, der als English style in ganz Europa nachgeahmt wurde.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt vom Schaffen John Constables und J. M. W. Turners. Die 1848 gegründete Gruppe der Präraffaeliten suchte Anregungen in der Kunst des Mittelalters und der frühen Renaissance. Führende Künstler waren William Holman Hunt, Dante Gabriel Rossetti und Sir John Everett Millais. Einflüsse der Kunst des Mittelalters zeigten sich auch im Kunsthandwerk, vor allem bei William Morris. Das von Morris gegründete Arts and Crafts Movement inspirierte zur Jahrhundertwende den Jugendstil. In Schottland wurde dieser vor allem von der Glasgow School propagiert, der die Architekten und Designer Arthur H. Mackmurdo und Charles Rennie Mackintosh zuzurechnen sind. Das von Mackintosh entworfene Gebäude der Glasgow School of Art ist eines der bekanntesten Beispiele seiner Art.

Kennzeichnend für die Kunst im 20. Jahrhundert ist die Hinwendung zur Abstraktion, die zunehmende internationale Bedeutung britischer Kunst und die Wiederentdeckung der Bildhauerei und Skulptur. Jacob Epstein, Barbara Hepworth, Henry Moore sowie in jüngerer Zeit Elisabeth Frink zählen zu den britischen Bildhauern mit internationaler Reputation. Britische Maler, die vor dem 2. Weltkrieg Bedeutung erlangten, waren vor allem Paul Nash, Sir Stanley Spencer und Graham Sutherland. Seit 1945 konnten beispielsweise Ben Nicholson, Victor Pasmore, Francis Bacon, David Hockney und Lucian Freud auf sich aufmerksam machen.

Die Entwicklung der darstellenden Künste im Vereinigten Königreich war in der Neuzeit hauptsächlich von den Beiträgen Englands geprägt. Während der Regierungszeit Elisabeths I. entstanden die ersten öffentlichen Theater; an ihren Bühnen wirkten nicht zuletzt William Shakespeare und Christopher Marlowe. Das Londoner Globe Theatre, in dem auch Stücke von Ben Jonson aufgeführt wurden, war eine der ersten kommerziellen Bühnen des Landes. Im 16. Jahrhundert begründeten Komponisten wie John Taverner, Thomas Tallis und William Byrd die Chormusik. Auf dem Gebiet der weltlichen Musik taten sich neben William Byrd John Dowland, Thomas Morley und Orlando Gibbons hervor.

Die Restaurationsepoche in England ab 1660 brachte neue Entwicklungen im Bereich des Theaters, die sich bis ins 18. Jahrhundert hinein fortsetzten. Die aus Irland stammenden Dramatiker George Farquhar, Oliver Goldsmith und Richard Brinsley Sheridan schrieben geistreich-witzige, oft von beißendem Humor durchzogene Gesellschaftskomödien, die zum Inbegriff des Restoration Drama wurden. Der führende englische Dramatiker dieser Epoche war William Congreve. Im späten 17. Jahrhundert entstanden die ersten Opern im Vereinigten Königreich, deren gelungenste, Dido and Aeneas, von Henry Purcell stammt, dem einzigen bedeutenden britischen Komponisten jener Zeit. Der aus Deutschland stammende Komponist Georg Friedrich Händel ließ sich 1712 in London nieder und beherrschte mit seinen Opern und Oratorien die Musikszene des 18. Jahrhunderts.

Im 19. Jahrhundert entstanden nennenswerte Leistungen in den Bereichen Theater und Musik erst nach 1870: Im damaligen Victoria-Theater wurde die Sittenkomödie nach Vorlagen von Sir Arthur Wing Pinero und Oscar Wilde zu neuem Leben erweckt, und Sir Arthur Sullivan und Sir William Gilbert schrieben bedeutende komische Opern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden die Music Hall und die Pantomime als zwei spezifisch britische Formen des Boulevardtheaters. Die Music Hall war ein Varieté mit komischen Einlagen, artistischen Nummern und häufig anzüglichen Liedern. Sie starb nach dem 2. Weltkrieg aus, ihr Einfluss ist aber nach wie vor in der Pantomime und in manchen gegenwärtigen Formen der britischen Komödie spürbar. Die Pantomime geht ursprünglich auf die italienische Commedia dell’arte zurück, mit der sie jedoch inzwischen nichts mehr gemeinsam hat. Sie wird in der Regel nur in der Weihnachtszeit aufgeführt und ist eine Darstellung von Märchenstoffen mit den Mitteln von Lied, Tanz und Slapstick, mit aufwendiger Kostümierung und unter Einbeziehung des Publikums. Für viele britische Kinder ist die Pantomime der erste Kontakt mit dem Theater.
Die berühmtesten britischen Komponisten um die Jahrhundertwende waren Sir Edward Elgar und Frederick Delius, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts traten Ralph Vaughan Williams und Sir William Walton hervor. Nach 1945 erlangten u. a. Sir Peter Maxwell Davies, Richard Rodney Bennett und Sir Harrison Birtwistle internationale Anerkennung. Im 20. Jahrhundert erlebte auch die Oper im Vereinigten Königreich im künstlerischen Schaffen von Sir Michael Tippett und Benjamin Britten eine neue Blüte. Im späteren 20. Jahrhundert war Großbritannien Wiege der Pop- und Rockmusik, beginnend mit den Beatles und den Rolling Stones in den sechziger Jahren. Das musikalische Werk Sir Andrew Lloyd Webbers machte das Musical in den ausgehenden achtziger und frühen neunziger Jahren zur beliebtesten Form des Musiktheaters im Vereinigten Königreich.

Auch das Interesse an klassischer Musik, Oper und Tanz hat seit 1980 merklich zugenommen. Das Vereinigte Königreich unterhält zahlreiche professionelle Orchester. Führend sind das London Philharmonic, das London Symphony, das Royal Liverpool Philharmonic, das Hallé in Manchester, das City of Birmingham Symphony sowie das Ulster und das Royal Scottish Orchestra. Berühmte Kammerorchester sind das English Chamber Orchestra, die Academy of Saint Martin-in-the-Fields und die Bournemouth Sinfonietta. Der britische Fernsehsender British Broadcasting Corporation (BBC) unterhält sechs Orchester und ist Sponsor der äußerst populären, jährlich stattfindenden Promenade Concerts in der Royal Albert Hall. Neben dem Ensemble des Royal Opera House mit Sitz in Covent Garden in London hat jedes Land des Vereinigten Königreiches ein nationales Opernensemble. Die in Leeds angesiedelte Opera North gibt Gastspiele im Norden Englands. Jeden Sommer findet in Glyndebourne (East Sussex) ein Opernfestival statt, an dem internationale Stars teilnehmen. In der Sommersaison 1994 wurde ein für 33 Millionen Pfund Sterling erbautes Auditorium eröffnet.

Das Royal Ballet, das Birmingham (früher Sadler’s Wells) Royal Ballet, das English National Ballet und das Northern Ballet Theatre zählen zu den führenden Tanztheatern der Welt. Das Ballet Rambert ist die erste Truppe des Vereinigten Königreiches im modernen Tanz. Weitere renommierte Ensembles sind Diversions mit Sitz in Cardiff, das Adzido Pan African Dance Ensemble und die Shobana Jeyasingh Dance Company.
Das Theater der frühen zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde vom Revuetheater sowie den Komödien Sir Noël Cowards beherrscht. Seit dem 2. Weltkrieg zeigt sich im britischen Theater eine Tendenz zum Sozialrealismus, wie sie erstmals in den Stücken John Osbornes zum Ausdruck kam. Aber auch die Tradition der geistreichen Verwechslungskomödie fand im Werk Alan Ayckbourns ihre Fortsetzung. Weitere namhafte Dramatiker der Nachkriegszeit sind Harold Pinter, Arnold Wesker, John Arden, Tom Stoppard, Peter Shaffer und Caryl Churchill. Berühmte britische Bühnenschauspieler sind Sir Laurence Olivier, Sir Alec Guinness, Sir John Gielgud, Dame Sybil Thorndike, Dame Judi Dench, Dame Maggie Smith, Sir Ian McKellen, Kenneth Branagh, Vanessa Redgrave und Emma Thompson. Gegenwärtig gibt es über 300 professionelle Theater im Vereinigten Königreich, davon allein 100 in London, fast die Hälfte im Stadtteil West End. Des Weiteren existieren 300 professionelle Theatergruppen, manche mit festen Aufführungsstätten, andere sind vorwiegend als Wandertruppen aktiv. Die bekanntesten Schauspielhäuser des Landes sind das Royal National Theatre, das Royal Court und das Old Vic in London; das Crucible Theatre in Sheffield; das Bristol Old Vic Theatre; das Nottingham Playhouse; das Citizen’s Theatre in Glasgow; das Royal Exchange in Manchester; und das Festival Theatre in Chichester. Die Royal Shakespeare Company tritt im Barbican Centre in London und im Royal Shakespeare Theatre in Stratford-upon-Avon auf.

Im Vereinigten Königreich finden jährlich rund 650 Kunstfestivals statt, die über vier Millionen Besucher anlocken. Neben dem Edinburgh Festival und dem Mayfest richten auch Belfast, Brighton, Buxton, Chichester, Harrogate, Llangollen, Malvern, Pitlochry, Salisbury und York derartige Veranstaltungen aus. Speziell im Bereich der Musik sind das Three Choirs Festival, das Cheltenham Festival und das Aldeburgh Festival zu nennen, Letzteres wurde von Benjamin Britten und dem englischen Tenor Sir Peter Pears ins Leben gerufen.

4.2. Medien

Die Rechte zur Ausstrahlung von Fernseh- und Radioprogrammen liegen bei der BBC (British Broadcasting Corporation), der unabhängigen Fernsehbehörde ITC (Independent Television Commission) und der Rundfunkbehörde (Radio Authority), allesamt öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Insgesamt besitzt das Vereinigte Königreich vier Erdsendestationen und knapp 200 Radiostationen. Außerdem gibt es eine Reihe von Satellitenfernsehsendern mit Sitz im Vereinigten Königreich sowie eine wachsende Zahl von Kabelfernsehgesellschaften.

Die BBC wurde 1922 gegründet und wird auf der Grundlage einer königlichen Charta geführt. Sie betreibt zwei landesweite Fernsehprogramme sowie fünf nationale und rund 38 lokale Radiosender. Finanziert wird sie vorwiegend über Lizenzgebühren und zusätzliche Einkünfte aus Gewerbetätigkeiten. Die BBC unterhält außerdem eine Vielfalt an Sendediensten im Ausland. Der World Service, 1932 als Sender für das Empire gegründet und von der öffentlichen Hand finanziert, bietet Programme in mehr als 38 Sprachen an und wird von einem Publikum von schätzungsweise 120 Millionen Menschen empfangen. 1991 gründete die BBC mit der World Service Television ein Tochterunternehmen für den Betrieb des Satellitenfernsehens. Die königliche Charta der BBC wird in regelmäßigen Abständen erneuert, wobei meist intensive Gespräche zwischen der Gesellschaft und der Regierung über Fragen der Finanzierung und andere Themen vorausgehen. Die gegenwärtige Charta enthält auch die Empfehlung, die BBC noch mindestens bis zum Jahr 2001 primär über Lizenzgebühren zu finanzieren und in der Zwischenzeit nach Bedarf die Möglichkeiten einer ganzen oder teilweisen Privatisierung genauer zu untersuchen.

Die ersten regelmäßigen, unabhängigen Fernsehprogramme wurden 1955 in London unter der Aufsicht einer unabhängigen Fernsehbehörde (Independent Television Authority, ITA) ausgestrahlt. 1972 erhielten die ersten unabhängigen Radiostationen ihre Sendeerlaubnis, und die ITA wurde durch die Independent Broadcasting Authority (IBA) ersetzt, die nun sowohl den Fernseh- als auch den Radiobetrieb überwachte. Heute werden das vierte und fünfte Programm des nationalen Fernsehens von unabhängigen Sendern ausgestrahlt; das dritte Programm (ITV) wird von 15 regionalen Fernsehsendern und einem Frühstücksfernsehsender gestaltet; das vierte Programm, Channel 4, das 1984 gestartet wurde, hat die Ausstrahlung von Sendungen für diverse Minderheitengruppen zur Aufgabe. In Wales sendet über diesen Programmkanal ein walisischsprachiger Anbieter, SC4. Er wird größtenteils mit öffentlichen Mitteln finanziert, darüber hinaus finanziert sich jedoch Channel 4, wie auch die Sender des dritten Programmkanals, über Werbung und andere Geschäftstätigkeiten. Weiterhin gibt es im Vereinigten Königreich rund 150 unabhängige lokale Radiostationen und viele weitere sind in Planung. Während der neunziger Jahre nahmen die ersten drei unabhängigen landesweiten Radiosender den Betrieb auf; Classic FM (1991), Virgin 1215 (1993) und Talk Radio UK (1995).
Das Radio- und Fernsehgesetz von 1990 brachte die Regelungen im Privatfernsehen und privaten Rundfunk auf einen neuen Stand, der den jüngsten Entwicklungen in diesem Bereich, wie Satelliten- und Kabelfernsehen, Rechnung trug. 1991 wurde die Behörde IBA durch die Independent Television Commission (ITC) und die Radio Authority ersetzt. Gleichzeitig wurde die Cable Authority, die Aufsichtsbehörde für das Kabelfernsehen, in die zwei neuen Körperschaften eingegliedert. Die ITC ist für die Vergabe von Senderechten und andere Regelungen der Programmkanäle eins und zwei verantwortlich, Senderechte für den Kanal drei werden auf der Basis des freien Wettbewerbs vergeben. Die Behörde ist auch für den geplanten fünften Programmkanal zuständig sowie für Kabeldienste, private Teletextanbieter und Satellitendienste im Vereinigten Königreich. Der Rundfunkbehörde obliegen entsprechende Aufgaben im Bereich des Radiobetriebs.

Im Vereinigten Königreich werden rund 124 Tages- und Sonntagszeitungen herausgegeben, davon 11 Tages- und 9 Sonntagszeitungen landesweit, sowie über 1 300 Wochenzeitungen. Die landesweiten Zeitungen wurden früher allesamt in der Fleet Street im Herzen Londons gedruckt, die dadurch zum Inbegriff der Zeitungsindustrie wurde. Inzwischen wurden alle Verlags- und Druckeinrichtungen in andere Gegenden Londons oder aber ganz aus der Hauptstadt weg verlegt. Die Besitzrechte für die Landespresse sind hochgradig konzentriert. Drei Verlagsgruppen, nämlich News International, im Besitz von Rupert Murdoch, die Mirror-Gruppe und United Newspaper besitzen zusammen 13 Zeitungen. Die Presselandschaft wird häufig in drei Marktkategorien unterteilt; die seriösen oder „Qualitäts”-Zeitungen, ein qualitätsmäßiges Mittelfeld und die Massenpresse. Zu den seriösen Zeitungen, sie werden im Englischen auch als broadsheets, „Großformatige”, bezeichnet, da sie auf großformatigem Papier gedruckt werden, zählen die ältesten und angesehensten britischen Zeitungen, wie die Times (gegründet 1785), der Guardian (1821), der Daily Telegraph (1855), die Financial Times (1888), der Independent (1986) und der Observer (1791), letztere ist eine Sonntagszeitung. Zur zweiten und dritten Gruppe der Massenpresse gehören die Sun (1964), der Daily Mirror (1903) und der Daily Star (1978). Sie werden im Englischen auch als tabloids bezeichnet, was auf ihr kleineres Papierformat anspielt. Typisch für die Massenblätter sind Sensationsstorys und umfangreiches Bildmaterial. Infolge ihrer hohen Auflage sind sie sehr einflussreich.

Darüber hinaus werden im Vereinigten Königreich fast 7 000 monatlich oder wöchentlich erscheinende Zeitschriften veröffentlicht. Zu den renommiertesten gehören New Scientist, New Statesman and Society, der Spectator, der Economist und das Times Literary Supplement. Im Vereinigten Königreich sind außerdem zahlreiche berühmte Buchverlage ansässig.

5. Verwaltung und Politik

Das Vereinigte Königreich ist eine parlamentarische Monarchie. Sie gründet auf einer ungeschriebenen, d. h. nicht in Form eines einzigen Dokuments niedergelegten Verfassung, die sich im Verlauf von Jahrhunderten entwickelte und auf geschriebenes Gesetzesrecht (Statute Law), Gewohnheitsrecht (Common Law: beruht auf juristischen Präzedenzfällen) und Konventionen zurückgreift. Die Verfassung kann durch ein Parlamentsgesetz, durch eine allgemeine Übereinkunft und durch richterliche Entscheidungen verändert werden, wodurch sie den sich wandelnden politischen Gegebenheiten angepasst werden kann (siehe Verfassung von Großbritannien). Die Grundprinzipien der Verfassung und Verfassungspraxis finden in den Regierungseinrichtungen ihren Ausdruck, die sich zwar in ihren Funktionen berühren, jedoch grundsätzlich eigenständige Institutionen bilden. Diese Einrichtungen sind die Krone, die Regierung und das Kabinett, der Privy Council (Geheimer Rat) und das Parlament.

5.1. Die Monarchie

Der Monarch des Vereinigten Königreiches ist das Staatsoberhaupt und damit dem Gesetz nach Oberhaupt der Exekutive, wichtiges Element der Legislative, Oberhaupt der Judikative, Oberbefehlshaber der königlichen Truppen und Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche (Church of England). Darüber hinaus ist er Oberhaupt des Commonwealth of Nations und Staatsoberhaupt der 51 Commonwealth-Staaten. Das Amt des Monarchen ist erblich; es geht an die Söhne des Königshauses in der Reihenfolge ihrer Geburt über oder an die Töchter, sofern keine Söhne vorhanden sind. Der Act of Settlement, ein Erbfolgegesetz aus dem Jahr 1700, legte fest, dass nur protestantische Nachfahren von Prinzessin Sophia, Kurfürstin von Hannover und Enkelin von Jakob I., König von England, und als Jakob VI. König von Schottland, die Thronfolge antreten dürfen. Die gegenwärtige Monarchin Königin Elisabeth II. bestieg den Thron am 6. Februar 1952, nach dem Tod ihres Vaters König Georg VI. Thronerbe ist ihr ältester Sohn Charles, Prinz von Wales.

Die Monarchie ist die älteste der Regierungsinstitutionen des Vereinigten Königreiches. Sie geht auf den sächsischen König Egbert zurück, der 829 England unter seiner Herrschaft vereinte. Die ehemals uneingeschränkte Macht des Königs wurde jedoch nach und nach beschnitten. Heute handelt der Monarch auf die Empfehlungen seiner Minister hin, die nach verfassungsmäßigem Recht nicht übergangen werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass das Vereinigte Königreich heute von der Regierung ihrer Majestät im Namen der Königin und mit Zustimmung des Parlaments regiert wird. Innerhalb dieses Rahmens kommen dem Monarchen spezifische Funktionen zu, die als elementare Bestandteile der verfassungsmäßigen Regierung des Vereinigten Königreiches zu betrachten sind. Daher existieren auch für den Fall, dass der Monarch sein Amt nicht mehr ausüben kann oder noch minderjährig ist, gesetzlich festgelegte Bestimmungen zur Ernennung eines Regenten.

Zu den spezifischen Funktionen des Monarchen gehören die Einberufung, Vertagung und Auflösung des Parlaments und die Zustimmung zu Gesetzesvorlagen, die in beiden Kammern des Parlaments verabschiedet wurden. Ohne diese königliche Zustimmung kann kein Gesetz in Kraft treten. Der Monarch ist auch für die offizielle Ernennung des Premierministers und der Regierungsminister zuständig sowie für die Ernennung von Richtern, Offizieren der Streitkräfte, Gouverneuren, Diplomaten, Bischöfen und Erzbischöfen sowie anderen höheren Geistlichen der anglikanischen Staatskirche. Der Monarch verleiht Ehrentitel und Auszeichnungen, hat als Staatsoberhaupt das alleinige Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, ausländische Staaten anzuerkennen und Verträge abzuschließen. Im Rahmen des Regierungsalltags kommt dem Monarchen das Recht zu, zu allen die Nation betreffenden Fragen konsultiert zu werden, wobei er zu absoluter Unparteilichkeit verpflichtet ist. Die Königin sitzt Treffen des Privy Councils (siehe unten) vor, empfängt regelmäßig den Premierminister, erhält Berichte über Kabinettsentscheidungen und unterzeichnet Staatspapiere.

5.2. Exekutive

Die Exekutivgewalt der Staatsmacht liegt zwar im Vereinigten Königreich formal beim Monarchen, wird jedoch in der Praxis durch die Regierung ausgeübt. Die Regierung umfasst die Gesamtheit der Minister, an deren Spitze der Premierminister steht. Sie benötigt für ihre Amtsausübung die Unterstützung der Mehrheit der Parlamentsmitglieder, also der Abgeordneten im Unterhaus oder House of Commons. De facto bedeutet dies, dass die Regierung von der stärksten Partei im Unterhaus gebildet und der Premierminister vom Parteiführer derselben gestellt wird. Allerdings wurden in jüngerer Zeit, vor allem während der beiden Weltkriege, die Regierungen häufig von Koalitionen größerer Parteien gebildet, oder es kam zu einer Minderheitsregierung (ohne Mehrheit im Unterhaus), wie beispielsweise 1974 und 1979, als die Labour Party ohne eigene Parlamentsmehrheit an der Regierung bleiben konnte, da die Liberale Partei bei Abstimmungen im Allgemeinen Labour unterstützte.
Das Amt des Premierministers bildete sich im 18. Jahrhundert unter der Regierung Robert Walpoles, wurde aber erst 1905 in der Verfassung verankert. Der Premierminister, er wird vom Monarchen ernannt, wählt seine Minister in der Regel aus dem Unterhaus, sie können jedoch auch der zweiten Kammer des Parlaments, dem Oberhaus oder House of Lords, angehören. Im 20. Jahrhundert ist es üblich geworden, dass der Premierminister immer ein Mitglied des Unterhauses ist. Traditionsgemäß trägt er außerdem den Titel eines Ersten Lords des Schatzamtes (First Lord of the Treasury) und ist zuständiger Minister für das Berufsbeamtentum. Zu seinen Befugnissen gehört auch die Empfehlung von Personen für zahlreiche Ämter, für die das Ernennungsrecht eigentlich beim Monarchen liegt. Darunter fällt die Ernennung der oberen Geistlichen in der anglikanischen Staatskirche, der Richter, der Mitglieder des Privy Council, des Poeta laureatus und des Constable des Tower von London.
Minister, die einem Regierungsministerium vorstehen und Kabinettsmitglieder sind, tragen im Englischen meist die Bezeichnung Staatssekretäre (secretaries of state). Eine Ausnahme ist der Vorsitzende des Landwirtschaftsministeriums, der als Landwirtschaftsminister bezeichnet wird. Einige Minister tragen historische Titel, beispielsweise der Finanzminister, der als Schatzkanzler (Chancellor of the Exchequer) bezeichnet wird. Neben den Kabinettsministern gibt es in den jeweiligen Ministerien weitere untergeordnete Regierungsbeamte mit Ministerrang, wie Ressortminister und parlamentarische Staats- oder Unterstaatssekretäre.
Die oberste Regierungsgewalt liegt beim Kabinett, das die eigentlichen politischen Entscheidungen trifft und durchführt sowie für die Zusammenarbeit der Ministerien zuständig ist. Normalerweise gehören dem Kabinett 15 bis 20 Mitglieder an, die vom Premierminister ausgewählt und vom Monarchen ernannt werden. Das Kabinett umfasst die Kabinettsminister, die den jeweiligen Ministerien vorstehen, einige Minister ohne festen Geschäftsbereich aber mit traditionellen Ämtern, z. B. der Lordpräsident des Geheimen Staatsrates (Lord President of the Council), der Oberste Zahlmeister (Paymaster General, für Lohn und Gehalt im öffentlichen Dienst zuständig) und der Lordsiegelbewahrer (Lord Privy Seal), sowie mitunter auch Ressortminister (so genannte Ministers of State), die ins Kabinett berufen wurden. Das Kabinettssystem entwickelte sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts aus den informellen Zusammenkünften der Mitglieder des Privy Council (Geheimer Rat); diese, ebenfalls Regierungsminister, pflegten politische Beratungen und Entscheidungen in relativ kleinen Ausschüssen vorzunehmen, da dies einfacher und effektiver war. Zwei Grundsätze der Kabinettspolitik sind die kollektive und die ministerielle Verantwortlichkeit. Kollektive Verantwortlichkeit bedeutet, dass das Kabinett einstimmig agiert, auch wenn nicht alle Kabinettsmitglieder zu einem Thema einer Meinung sind. Die politische Linie der Minister muss mit der der Regierung als Ganzes übereinstimmen. Ministerielle Verantwortlichkeit besagt, dass die Minister für die Vorgänge in ihrem Ministerium verantwortlich sind und dafür vor dem Parlament zur Verantwortung gezogen werden können. Sie tragen die Konsequenzen für jegliche Fehlleistungen im Bereich der Verwaltung oder der politischen Arbeit ihres Ministeriums.

5.3. Der Privy Council (Geheimer Rat)

Vor der Herausbildung des Kabinettssystems war der Privy Council das Hauptinstrument der Exekutive im Staat. Seine Ursprünge können bis an den Hof der normannischen Könige zurückverfolgt werden. Die meisten seiner früheren Funktionen werden heute vom Kabinett wahrgenommen, und so hat der Privy Council heute fast nur beratende Funktion für den Monarchen beim Erlass königlicher Verordnungen (Orders in Council). Davon gibt es zwei Varianten: Zum einen kann der Monarch eine Verordnung auf der Grundlage der königlichen Prärogative (Vorrecht des Königs) erlassen, z. B. Verträge abschließen oder eine königliche Charta vergeben. Zum anderen kann er eine königliche Verordnung mit Zustimmung des Parlaments erlassen, wodurch der Gesetzgebungsprozess abgekürzt wird. Der Privy Council ist auch bei der Veröffentlichung königlicher Proklamationen beratend tätig, z. B. in der Frage der Einberufung oder Auflösung des Parlaments. Die Mitgliedschaft im Privy Council wird auf Lebenszeit ausgesprochen und umfasst alle amtierenden Kabinettsminister, ehemalige Kabinettsminister, die Erzbischöfe von Canterbury und York, den Sprecher (Speaker) des Unterhauses sowie hervorragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (vorwiegend Richter und Politiker) aus dem Vereinigten Königreich oder unabhängigen Monarchien des Commonwealth. Gegenwärtig hat der Rat etwa 300 Mitglieder.

Der Privy Council verfügt über eine Reihe von Ausschüssen. Einer davon ist für die Gesetzgebung in den Kronländern der Kanalinseln und der Isle of Man zuständig. Ein weiterer und wohl der wichtigste Ausschuss des Privy Council ist der Rechtsausschuss. Er fungiert als oberstes Appellationsgericht für die von der Krone abhängigen Territorien, Kronländer und Kronkolonien sowie für einige unabhängige Mitgliedsstaaten des Commonwealth.

5.4. Das Parlament

Das Parlament im Vereinigten Königreich ist eine der ältesten Volksvertretungen der Welt. Seine Entstehung beginnt bei den englischen Königen des Mittelalters; diese waren ständig bemüht, Gelder einzutreiben, vor allem um ihre Kriege finanzieren zu können. Zur Beschaffung der Gelder aber benötigten sie ursprünglich die Zustimmung der einflussreichen Feudalherren, der Barone, die sich mehrmals im Jahr zu einem Großen Rat versammelten. Die erstmalige Nennung des Begriffs „Parlament” im Jahr 1236 bezieht sich auf diese Adelsversammlung. Die finanzielle Unterstützung der Barone reichte jedoch schon bald nicht mehr aus, um die Ausgaben der königlichen Regierung zu decken, und so wurden Ende des 13. Jahrhunderts Vertreter der Grafschaften und Städte ebenfalls zum Großen Rat geladen, wo sie ihre Zustimmung zu einer verschärften Steuerlast geben sollten. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts existierte schließlich eine Art Parlament im heutigen Sinn. Es handelte sich um eine Versammlung, deren Aufgaben die Entscheidung über Steuern und die Gesetzgebung waren. Sie umfasste zwei getrennte Kammern, eine mit Vertretern der Gemeinden, das House of Commons, und eine mit Vertretern, die aufgrund ihres Titels geladen waren, das House of Lords. Es folgten jedoch noch jahrhundertelange Machtkämpfe zwischen den beiden Kammern einerseits und Parlament und Monarchie andererseits, bis die heutige parlamentarische Struktur des Vereinigten Königreiches entstanden war.

Der Verfassung nach ist die oberste gesetzgebende Instanz im Vereinigten Königreich die „Krone im Parlament”. Dies bedeutet, dass eine Gesetzesvorlage von allen drei Bestandteilen des Parlaments gebilligt werden muss, bevor sie gültiges Recht werden kann, also vom Monarchen, vom Oberhaus (House of Lords) und vom Unterhaus (House of Commons). Seit nunmehr 280 Jahren erfolgte die Zustimmung der Krone immer automatisch.

5.5. Das Oberhaus (House of Lords)

Das Oberhaus umfasste bis Oktober 1999 etwa 1 300 Lords mit erblichen Peers, auf Lebenszeit ernannten Peers, Lords of Appeal oder Law Lords und weiteren Peers auf Lebenszeit (weltliche Lords) sowie mit den Erzbischöfen von Canterbury und York, den Bischöfen von London, Durham und Winchester sowie den 21 nächstältesten Diözesanbischöfen der anglikanischen Staatskirche (geistliche Lords). Mit einer im Oktober 1999 von Ober- und Unterhaus verabschiedeten Reform wurden die 750 Erbsitze abgeschafft; seither hat das House of Lords etwa 550 Mitglieder.

Eine Gesetzesvorlage kann von der Regierung zunächst im Oberhaus eingebracht werden, normalerweise gehen die Vorlagen jedoch zunächst ins Unterhaus. Finanzgesetze gehen immer zuerst ins Unterhaus. Wird ein Gesetz im Unterhaus verabschiedet, so geht es zur Beratung ans Oberhaus weiter, muss jedoch dort nicht mehr per Abstimmung verabschiedet werden, um rechtskräftig zu sein. Seit dem Parlamentsgesetz von 1911 kann das Oberhaus keine Finanzgesetze mehr blockieren. Auch andere Gesetzesvorlagen können nach den Bestimmungen des Parlamentsgesetzes von 1949 nicht mehr vom Oberhaus blockiert werden, sofern sie vom Unterhaus in zwei aufeinander folgenden Sitzungen verabschiedet wurden. In der Praxis bedeutet dies, dass das Oberhaus nur aufschiebende Funktion bei der Gesetzgebung hat, indem es eine Gesetzesvorlage maximal ein Jahr lang blockieren kann. Die Ausnahme bilden Gesetzesvorlagen, die die Legislaturperiode des Parlaments verlängern würden; sie bedürfen der Zustimmung beider Kammern. Diese begrenzten Befugnisse des Oberhauses bringen die Ansicht zum Ausdruck, dass eine nicht gewählte Kammer in einer modernen Demokratie nur mehr als beratende und Revisionsinstanz fungieren kann. Sie ist dafür besonders geeignet, da ihre Mitglieder frei vom Parteienzwang urteilen können, und bildet somit eine Ergänzung zum Unterhaus. Dennoch werden auch immer wieder Forderungen nach einer Abschaffung des Oberhauses und der Einrichtung einer zweiten gewählten Kammer an deren Stelle laut. Sie erhielten vor allem durch Bestrebungen neue Nahrung, die Mitgliederzahl im Oberhaus durch die Einführung des Systems der Ernennung von Lords auf Lebenszeit weiter zu vergrößern.

5.6. Das Unterhaus (House of Commons)

Die Mitglieder des Unterhauses werden mit allgemeinem Mehrheitswahlrecht über geographisch festgelegte Wahlkreise gewählt. Das Mindestalter für die Wahlberechtigung wurde 1969 auf 18 Jahre gesenkt. Nicht ins Unterhaus gewählt werden können Mitglieder des Oberhauses, bestimmte Geistliche, Regierungsangestellte, Friedensrichter sowie einige mit der Durchführung der Wahlen betraute Beamte. Die Sitzverteilung im Parlament hängt von der Gesamtzahl der Abgeordneten, die allein vom Unterhaus festgelegt wird, und von der Bevölkerungszahl ab. Im Vereinigten Königreich umfasst jeder Wahlkreis ungefähr 60 000 Einwohner. In Nordirland, das mit 17 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, sind die zugrunde liegenden Einwohnerzahlen der Wahlkreise etwas höher. Das Unterhaus verfügt derzeit über 651 Abgeordnete. Um sicherzustellen, dass die Einteilung der Wahlkreise politisch gerecht ist und die Anzahl der Wahlberechtigten pro Wahlkreis ungefähr ausgeglichen ist, wurden vier ständige Wahlkreiskommissionen eingerichtet. Veränderungen in der Wahlkreislandschaft werden alle acht bis zwölf Jahre durchgeführt. Die Beschlussfähigkeit des Parlaments ist mit 40 Abgeordneten gegeben. Die gesetzlich festgelegte Legislaturperiode beträgt fünf Jahre, sofern nicht gesonderte Beschlüsse, etwa in Kriegszeiten oder Zeiten nationaler Krisen, eine frühere Auflösung des Parlaments oder eine Verlängerung der Amtsperiode vorsehen. Am Ende der regulären Fünfjahresperiode oder auf Vorschlag des Premierministers wird das Parlament vom Monarchen aufgelöst. Alle Mitglieder des Unterhauses können sich dann einer Wiederwahl stellen.
Theoretisch kann zwar jeder Parlamentsabgeordnete eine Gesetzesvorlage einbringen, in der Praxis wird jedoch die Gesetzgebung meist durch den Kabinettsminister des zuständigen Ministeriums eingeleitet. Die im Parlament verabschiedeten Gesetze sind meist in allgemeinem Ton formuliert. Sie werden entweder in detaillierterer Fassung durch königliche Verordnungen verabschiedet, oder von den zuständigen Ministern vorbereitet und von der Krone verkündet. Das Kabinett tritt nach dem Grundsatz der kollektiven Verantwortlichkeit als Einheit auf. Die Niederschlagung einer wichtigen Gesetzesinitiative im Parlament oder die Einbringung eines Misstrauensvotums hat normalerweise den Rücktritt des gesamten Kabinetts und die Ausschreibung von Neuwahlen zur Folge. Der Premierminister kann auch einzelne Kabinettsminister entlassen oder wieder ernennen. Diese Machtbefugnis des Premierministers garantiert dessen Führungsposition gegenüber den Ministern. In den meisten Regierungen wurde und wird davon von Zeit zu Zeit Gebrauch gemacht. Kabinettsminister haben die Möglichkeit von ihrem Amt zurückzutreten, ohne ihre Mitgliedschaft im Unterhaus aufzugeben.

Angesichts der Handlungsbefugnisse des Kabinetts gab es im Unterhaus vor 1979 keine Spezialausschüsse, wie dies etwa im Kongress der Vereinigten Staaten der Fall ist. Seit 1979 hat sich jedoch allmählich ein System von Ausschüssen mit speziellen Funktionen herausgebildet. In diesen Spezialausschüssen finden detaillierte Beratungen und Bewertungen statt, die über die bloße Überarbeitung und Billigung der Vorlagen hinausgehen, und so kommt den Ausschüssen inzwischen eine wachsende Bedeutung innerhalb der parlamentarischen Arbeit zu.

In einem Referendum im September 1997 sprach sich die Bevölkerung Schottlands und Wales jeweils für größere Autonomie aus. In Schottland stimmte eine klare Mehrheit von 74,3 Prozent für ein eigenes Parlament. Es verfügt über begrenzte Steuerhoheit und ist mit vollen legislativen Kompetenzen in den Bereichen Kommunalverwaltung, Gesundheit und Soziales, Wohnungsbau und Verkehr, Landwirtschaft sowie Sport und Kultur ausgestattet. Die ersten Wahlen zum schottischen Parlament (129 Abgeordnete) fanden 1999 statt. In Wales votierten lediglich 50,3 Prozent der Bevölkerung für ein Regionalparlament mit 60 Mitgliedern, das1999 erstmals gewählt wurde. Es verabschiedet jedoch keine eigenen Gesetze, sondern kontrolliert vor allem das Ministerium in Wales, das es auch in den Bereichen der Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungspolitik berät. Wales und Schottland werden aber weiterhin mit 38 bzw. 72 Abgeordneten im britischen Unterhaus vertreten sein.

5.7. Judikative

Die Länder England (mit Wales), Schottland und Nordirland besitzen jeweils eigene Rechtssysteme, die sich in Gesetzgebung, Aufbau des Gerichtswesens und Praxis der Rechtsprechung beträchtlich unterscheiden. Alle drei Systeme verfügen über getrennte Strafverfolgungs-, Strafvollzugs- und Polizeieinrichtungen. Die Zivilgerichte und das Zivilrechtswesen Schottlands unterscheiden sich von dem in England und Wales üblichen System. Das System Nordirlands ist in vielen Bereichen dem englisch-walisischen System sehr ähnlich. Das so genannte „Gewohnheitsrecht” (Common Law) spielt in allen drei Rechtssystemen eine wichtige Rolle. Es gibt kein eigenes Verfassungsgericht.

5.8. Kommunalverwaltung

Seiner Verwaltungsstruktur nach ist das Vereinigte Königreich derzeit ein zentralistischer Einheitsstaat, d. h., dass die Befugnisse der Regional- und Kommunalverwaltungen unmittelbar vom Zentralparlament hergeleitet sind und die Verantwortung für die Gesamtverwaltung des Landes bei den Kabinettsministern des Parlaments liegt. Der Selbständigkeit der Regionalbehörden im Bereich des Budgets und teilweise in politischen Maßnahmen sind also durch die in London gemachte Politik Grenzen gesetzt. Diese Tendenz wurde durch mehrere Verwaltungsreformen im Zeitraum von 1980 bis zu Beginn der neunziger Jahre noch verstärkt. Einen Einschnitt für Veränderungen in den Zuständigkeiten und eine Stärkung der regionalen Befugnisse markieren seit 1999 jedoch die Einrichtung eines eigenen Parlaments in Schottland und eines Regionalparlaments in Wales.

Eine umfangreiche Kommunalverwaltungsreform trat 1974 in England und Wales und 1975 in Schottland in Kraft. Die früheren Grafschaften und städtischen Bezirke mit Grafschaftsstatus wurden durch eine vereinfachte, in der Regel zwei Verwaltungsebenen aufweisende Struktur ersetzt. In England und Wales (mit Ausnahme von Greater London) wurde das System der Grafschaften beibehalten, die Verwaltungseinheiten jedoch weitgehend neu strukturiert. Insgesamt wurden 39 Grafschaften mit eigenen Verwaltungsbehörden, den Grafschaftsräten, geschaffen; diese sind ihrerseits in 369 Distrikte mit eigenen Distrikträten unterteilt. Sieben englische Grafschaften, die sich über städtische Ballungsräume erstrecken, wurden als städtische Grafschaften tituliert (metropolitan counties), die anderen als nichtstädtische Grafschaften (non-metropolitan counties). London verfügt über einen zentralen Verwaltungsrat, den Greater London Council, dem die Verwaltungsbehörden der 32 Londoner Stadtbezirke und der Londoner Innenstadt unterstehen.

In Schottland wurden die Grafschaften vollständig durch Regionen ersetzt; auf dem schottischen Festland wurden zwölf Regionen mit eigenen Verwaltungsräten geschaffen, die in 53 Distrikte mit eigenen Räten unterteilt sind. Für die Orkney-Inseln, die Shetland-Inseln und die Western Isles wurden drei allumfassende Inselbehörden eingerichtet. In Nordirland wurde eine einfache Gliederung in 26 Distrikte vorgenommen.
Die Mitglieder der Verwaltungsräte auf Grafschafts- und Distriktebene werden auf vier Jahre gewählt, wobei sowohl die Wahlen zu einer Ratsversammlung als auch die Wahlen zu verschiedenen Räten zeitlich gestaffelt sind, also eine Art Rotationsprinzip entsteht.
Groß angelegte Verwaltungsreformen wurden erneut in den achtziger Jahren unter der Regierung der Konservativen durchgeführt. Der Greater London Council und die sechs städtischen Grafschaften wurden abgeschafft, ihre Funktionen größtenteils den Ratsversammlungen der Londoner bzw. sonstigen Stadtbezirke übertragen. In einigen dieser Gebiete wurden auch Aufgaben über Verwaltungsgrenzen hinweg verteilt und gemeinsame Zuständigkeiten von Behörden eingerichtet, beispielsweise für Abfallbeseitigung, Feuerwehr und (außerhalb Londons) öffentliche Verkehrsmittel. Die Verfassung des Vereinigten Königreiches sieht keine Trennung zwischen zentralen und kommunalen Behörden vor. Im Allgemeinen fallen jedoch folgende Bereiche unter die Zuständigkeit der Kommunalverwaltungen: Polizei, Feuerwehr, Schulwesen, Bibliotheken, Straßen, Verkehr, Wohnungswesen, Bauvorschriften und Umweltschutz. Die Zuständigkeit der Kommunalbehörden in diesen Bereichen wurde jedoch inzwischen durch Maßnahmen der Zentralregierung eingeschränkt. Die meisten der bisher von Kommunalverwaltungen erbrachten Leistungen müssen nun einem öffentlichen Wettbewerb ausgesetzt werden, wodurch sich der Bedarf an Angestellten bei den Verwaltungsbehörden verringert. Reformen im Schulwesen haben zu größerer Autonomie der Schulen geführt. Im Bereich des sozialen Wohnungsmarktes räumten Gesetzesänderungen Mietern von Sozialwohnungen die Möglichkeit ein, die Wohnungen zu kaufen. Außerdem wurde die Bildung von Wohnungsbaugesellschaften angeregt, und die Verwaltung einiger Wohnanlagen im Besitz der Kommunalbehörden wurde neu geschaffenen Wohnungs-Treuhandgesellschaften übergeben.
Die Autonomie der Kommunalverwaltungen wurde auch durch Änderungen in der Finanzordnung beschnitten. Die Regierung der Konservativen führte strenge Kontrollen über die Ausgaben der Kommunalbehörden ein. Seit 1984 ist die Regierung befugt, die Budgets von kommunalen Behörden zu begrenzen, sofern sie diese für überzogen hält. Auch die Zuteilung von Geldern der Zentralregierung an die Kommunalbehörden – diese Zuschüsse bilden den Großteil der Budgets der Kommunalverwaltungen – wurde neu geregelt. Sie richtet sich jetzt nach einem komplizierten System, das seinerzeit beträchtliche Kontroversen auslöste. Ebenso haben sich die Grundlagen für lokal erhobene Steuern verändert. Im April 1990 wurde das seit langem übliche System der Kommunalsteuern durch eine neue Gemeinschaftssteuer ersetzt, die sich schon bald den Namen „poll tax”, „Schädel-Steuer”, einhandelte, da sie pro Person, unabhängig vom Einkommen, bemessen wurde. Diese äußerst unpopuläre Besteuerung provozierte eine angeheizte politische Diskussion und Aufstände in London, so dass sie schließlich 1992 durch eine zumindest teilweise nach dem Einkommen bemessene Steuer ersetzt wurde. Seit 1999 entscheidet jedoch das neue schottische Parlament über die Verteilung der von London zugewiesenen Finanzmittel. In Wales gibt es nicht so weit reichende Befugnisse.

5.9. Politik

Die politischen Parteien, die sich im Vereinigten Königreich im 17. Jahrhundert herausbildeten, sind ein elementarer Bestandteil des politischen Systems. Im Unterhaus sind zwar mehrere Parteien vertreten, in der Vergangenheit war die politische Bühne des Königreiches jedoch über ein Jahrhundert lang von einem Zweiparteiensystem geprägt. Die stärkste Partei im Unterhaus bildet die Regierung, der zweitstärksten Partei kommt die Rolle der Opposition zu – der offizielle Titel lautet „ihrer Majestät loyale Opposition”. Der Oppositionsführer erhält ein Gehalt aus öffentlichen Mitteln. Seit dem Ende des 1. Weltkrieges dominieren die Konservative Partei (Conservative Party) und die Labour Party das politische Geschehen. Die Labour Party war grundsätzlich immer sozialistisch orientiert, tendiert jedoch seit Anfang der neunziger Jahre stärker zur politischen Mitte hin. Nach ihrem überwältigenden Wahlsieg im Mai 1945 begann sie mit der Verstaatlichung einzelner Industrien. Die Labour Party wurde 1900 als politischer Arm der Gewerkschaften gegründet und war in ihrer geistigen Ausrichtung von der Fabian Society beeinflusst. Ihre Wählerschaft sowie finanzielle Unterstützung bezog sie aus beiden Gruppen. In jüngster Zeit führten jedoch Veränderungen in der Parteisatzung zu einer Reduzierung des Gewerkschaftseinflusses auf die politische Linie der Partei. Der politische Kurs der Konservativen Partei verfolgt tendenziell die Unterstützung der privaten Wirtschaft und weniger Regulierung durch den Staat. Nach dem 2. Weltkrieg stimmte sie jedoch auch sozialpolitischen Maßnahmen wie dem Beveridge-Plan zu, der die Einrichtung eines umfassenden Sozialversicherungssystems vorsah. Der ebenfalls um diese Zeit gegründete staatliche Gesundheitsdienst (National Health Service) erhält nach wie vor breite Zustimmung in der Öffentlichkeit. In den achtziger Jahren versuchten die Konservativen, die zu dieser Zeit die Regierung bildeten, den Gesundheitsdienst zu reformieren, um Kosten zu senken und die Prinzipien des freien Marktes stärker einzubringen; die Bestrebungen stießen jedoch auf beträchtlichen Widerstand.

Die Liberale Partei (Liberal Party), die jahrzehntelang immer wieder Regierungen gestellt hatte, verlor in jüngerer Zeit ihren Rückhalt bei den Wählern. 1988 tat sie sich mit der Sozialdemokratischen Partei (SDP: Social Democratic Party, von Labour-Abtrünnigen gegründet) zusammen, woraus die Liberal-Demokratische Partei (Liberal Democrat Party) entstand. In den neunziger Jahren gehörten zur Parteienlandschaft außerdem die nationalistischen Parteien von Schottland und Wales, Scottish Nationalist Party und Plaid Cymru, sowie die Parteien Nordirlands, die Ulster Unionist Party, die Democratic Unionist Party, die Social Democratic and Labour Party und Sinn Féin. Alle sind im Unterhaus vertreten, wobei jedoch die zwei Abgeordneten der Sinn Féin vom Parlamentspräsidium von der Mitarbeit ausgeschlossen sind, da sie den Treueeid auf die Königin nicht leisten wollen. Das Parlament Nordirlands ist seit 1972 suspendiert. Weitere, nicht im Parlament vertretene Parteien sind die Kommunistische Partei und die Partei der Grünen. In den Parlamentswahlen von 1997 errangen die kleinen Parteien insgesamt fast 26,2 Prozent (davon 16,7 Prozent für die Liberaldemokraten) der Stimmen, erhielten jedoch infolge des britischen Mehrheitswahlrechtes, bei dem nur der jeweilige Sieger eines Wahlkreises einen Sitz erhält, nur 75 von insgesamt 651 Sitzen im Unterhaus. Die Konservativen hingegen verloren über 11 Prozent im Vergleich zur Wahl von 1992 und erlitten ihre schwerste Niederlage seit 1832: Sie erhielten nur noch 30,6 Prozent der Stimmen und 165 Sitze im Parlament, Labour dagegen erzielte mit 43,2 Prozent der Stimmen das bisher beste Wahlergebnis für die Partei und 419 Sitze. Diese Diskrepanz zwischen dem Rückhalt der kleinen Parteien in der Bevölkerung und ihrer Repräsentation im Parlament hat inzwischen Forderungen nach der Einführung eines Verhältniswahlrechtes laut werden lassen, die vor allem von den Liberal-Demokraten mit Nachdruck vertreten werden.

5.10. Umweltschutz

In Großbritannien wurden vier staatliche Einrichtungen für den Naturschutz geschaffen. Dies sind die Countryside Commission und English Heritage in England, der Countryside Council in Wales und Scottish Natural Heritage in Schottland. In Nordirland obliegt der Naturschutz der Umweltbehörde. Anfang der neunziger Jahre waren diese Körperschaften für Nationalparks und als „landschaftlich besonders reizvolle Gegenden” ausgezeichnete Gebiete im Vereinigten Königreich zuständig. Diese Gebiete machen 22 Prozent der Fläche Englands, fast 25 Prozent von Wales, 13 Prozent von Schottland und 20 Prozent von Nordirland aus. Darüber hinaus gibt es eine Anzahl gemeinnütziger Einrichtungen, die sich um den Landschaftsschutz kümmern, allen voran der National Trust (Nationale Institution für Landschaftsschutz und Denkmalspflege), der sich auch um den Schutz der Küsten in England, Wales und Nordirland kümmert.
Für den Schutz der Tierwelt ist in erster Linie der Wildlife and Countryside Act, ein Gesetz von 1981, maßgeblich. Es wurden Programme zum Erhalt bedrohter Arten, beispielsweise der Schlafmaus und einer selten gewordenen Spinnenart in den Fens, gefördert. Anfang der neunziger Jahre existierten im Vereinigten Königreich über 340 staatlich unterhaltene Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 190 000 Hektar sowie über 2 000 von anderen Organisationen eingerichtete Reservate. Zu diesen Organisationen zählt auch die Königliche Vereinigung zum Schutz von Vögeln (Royal Society for the Protection of Birds), Europas größte gemeinnützige Artenschutzinstitution.

5.11. Verteidigung

Eine Grundlage des britischen Sicherheitssystems ist die Mitgliedschaft in der NATO (North Atlantic Treaty Organization: Nordatlantischer Verteidigungspakt). Das Vereinigte Königreich leistet einen bedeutenden Beitrag zur Verteidigungspolitik der NATO. Die Verteidigungspolitik des Königreiches wird vom Ausschuss für Verteidigung und Außenpolitik beschlossen. Er wird geleitet vom Premierminister und schließt die Minister für Verteidigung, Außenpolitik und Innenpolitik mit ein. 1964 wurden die drei Waffengattungen der Streitkräfte zusammen dem neu geschaffenen Amt des Staatsekretärs für Verteidigung unterstellt. Der Verteidigungsrat, zu dem der Staatssekretär für Verteidigung, die Stabschefs der drei Waffengattungen, der oberste wissenschaftliche Berater für Verteidigungsfragen und der ständige Unterstaatssekretär für Verteidigung gehören, besitzt die Befehlsgewalt und die Oberaufsicht über die Verwaltung der Streitkräfte. Seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts und der Beendigung des Kalten Krieges zwischen den weltpolitischen Machtblöcken wurde die Verteidigungspolitik neuen Richtlinien unterstellt und die Stärke der Streitkräfte deutlich reduziert.

Der Verteidigungsrat nimmt seine Oberaufsicht durch eine Armeebehörde wahr, die sich aus zivilen und dem Militär angehörenden Mitgliedern zusammensetzt. Die aktiven Streitkräfte selbst werden von freiwilligen Berufssoldaten, die sich im Allgemeinen für 22 Jahre verpflichten, gebildet (113 500 Mann). Seit 1972 besteht jedoch auch die Möglichkeit, sich nur für drei Jahre zu verpflichten. Eine Reservearmee aus Zivilisten, die so genannte Territorial Army, verfügt über mehr als 70 000 Mann und kann in Krisensituationen entsandt werden. Nordirland besitzt eine gesonderte, 6 200 Mann starke Reservearmee, das Ulster Defence Regiment, das die regulären Streitkräfte zeitweise unterstützt.

Die Marine (Royal Navy) wird vom Marineministerium, das dem Staatssekretär für Verteidigung untersteht, geleitet. 1993 und 1994 wurden im Bereich des Marinepersonals und -inventars umfangreiche Kürzungen, Änderungen und Rationalisierungen durchgeführt, die auch die Größe der Flotte betrafen. 1998 umfasste die Marine 43 700 Soldaten.

Die Luftwaffe wurde 1912 gegründet. 1914 wurde die Abteilung des Seeflugwesens als eigenständige Division etabliert, und 1918 wurden beide Abteilungen zur heutigen Royal Air Force (RAF) vereinigt. Seit 1964 untersteht die Luftwaffe dem Verteidigungsministerium. Die Verwaltung obliegt der Luftwaffenbehörde, die ihrerseits dem Staatssekretär für Verteidigung untersteht. Die 55 200 Soldaten umfassende Luftwaffe verfügt über eigene Sektionen für das In- und Ausland. Die Luftwaffeneinheit für Frauen wurde 1994 in die Royal Air Force eingegliedert.

1999 waren noch über 55 000 britische Soldaten im Ausland stationiert. Kontingente bestehen in Deutschland, im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina, in Zypern, in Brunei, auf den Falkland-Inseln, in Gibraltar und in Belize.

6. Wirtschaft

Die Wirtschaft Großbritanniens wird in erster Linie von der Dienstleistungsbranche und der verarbeitenden Industrie dominiert. Das Königreich zählt zu den führenden Industrienationen der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 1 357 Milliarden US-Dollar (1998). Davon entfielen 66,7 Prozent auf den Dienstleistungssektor, 31,5 Prozent auf die Industrie und 1,8 Prozent auf die Landwirtschaft. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt errechnet sich zu 22 980 US-Dollar. Großbritannien ist Mitglied der Europäischen Union.

Die Struktur des Arbeitsmarktes hat sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts grundlegend gewandelt. 71 Prozent der Angestellten sind heute in der Dienstleistungsbranche tätig, im Jahr 1955 waren es nur rund ein Drittel. Die verarbeitende Industrie, 1955 mit 42 Prozent der Beschäftigten noch der größte Arbeitgeber, bietet heute nur noch 27 Prozent eine Beschäftigung. Seit Mitte der fünfziger Jahre hat die Zahl der Frauen, die einer Beschäftigung außer Haus nachgehen, deutlich zugenommen. Heute beträgt der Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung 43,7 Prozent (1998). Jüngere Entwicklungen sind beispielsweise die Ausweitung der Teilzeitbeschäftigungen und eine Zunahme an zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen anstelle einer dauerhaften Anstellung.

Nach offiziellen Zahlen lag die Arbeitslosigkeit 1994 noch bei über 2,6 Millionen Arbeitslosen oder 9,2 Prozent aller Erwerbstätigen. Dies bedeutete jedoch immerhin einen Rückgang gegenüber der Höchstzahl von drei Millionen Arbeitslosen während der Rezession in den späten achtziger Jahren. Die Arbeitslosenquote variierte je nach Region beträchtlich; so lag sie beispielsweise in East Anglia bei 7,1 Prozent und in Nordirland bei 13 Prozent. 1997 betrug sie im landesweiten Durchschnitt 7,1 Prozent.

Der Warenhandel macht nur einen Teil des britischen Gesamthandels aus. Der Dienstleistungssektor, einschließlich Finanzdienstleistungen und Tourismus, Einkünfte aus Kapitaleinlagen und weitere immaterielle Werte, die auch als unsichtbare Einkünfte bezeichnet werden, sind für die britische Wirtschaft ebenso wichtig wie der Handel mit materiellen Gütern. Bei den Einkünften aus Dienstleistungen gehört das Vereinigte Königreich zu den drei weltweit führenden Staaten; sein Anteil am gesamten internationalen Dienstleistungssektor beträgt 5 Prozent, der Anteil an Kapitaleinkünften 14 Prozent.

Der Einfluss der Gewerkschaften im Vereinigten Königreich nahm seit 1980 dramatisch ab. Der Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich des Rückgangs bei der verarbeitenden Industrie und der Zunahme an Teilzeitbeschäftigungen haben die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sinken lassen. Mitte der neunziger Jahre hatten die 287 Einzelgewerkschaften, die dem Gewerkschaftsverband (Trades Union Congress) angehören, noch neun Millionen Mitglieder, was 35 Prozent der Beschäftigten entspricht. Darüber hinaus wurde die Macht der Gewerkschaften auch durch die seit 1980 von der Tory-Regierung verabschiedeten Gesetze stark beschnitten; danach muss nun jeder Streik vorher durch eine geheime Abstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern gebilligt werden. Auch die Beschaffung von Geldmitteln seitens der Parteien wurde gesetzlich neu geregelt. Nach dem Regierungswechsel 1997 zugunsten der Labour Party versprechen sich die Gewerkschaften Großbritanniens günstigere Bedingungen.

6.1. Landwirtschaft

Etwa 77 Prozent der Landesfläche des Vereinigten Königreiches werden landwirtschaftlich genutzt. Der Landwirtschaftssektor bietet 2 Prozent der Bevölkerung einen Arbeitsplatz und trägt nur minimal zum Bruttoinlandsprodukt bei. Er erreicht jedoch eine hohe Effektivität und Produktivität. So kann das Vereinigte Königreich immer noch fast 60 Prozent seines Bedarfs an sämtlichen Nahrungsmitteln und Tierfuttermitteln selbst decken; im Bereich der im eigenen Land produzierbaren Nahrungs- und Futtermittel beträgt die Selbstversorgungsquote sogar über 70 Prozent.
Weite Landesteile, vor allem in Schottland und Wales, eignen sich nur zur Weidehaltung. Insgesamt sind 39 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche extensives Weideland, 27 Prozent werden intensiv als Weidefläche genutzt, und der Rest ist kultiviertes oder brachliegendes Ackerland. Die Durchschnittsgröße der Landwirtschaftsbetriebe liegt bei etwa 70 Hektar. Mehr als die Hälfte der Vollerwerbsbauernhöfe betreiben Milchvieh-, Rinder- oder Schafhaltung.

Das Auftreten der Rinderseuche Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) und die mögliche Übertragbarkeit der Krankheit auf den Menschen führten unter den europäischen Verbrauchern zu großem Misstrauen gegenüber britischem Rindfleisch. Die EU verhängte im April 1995 ein Embargo gegen britisches Rindfleisch. Auf dem europäischen Festland traten unter Rindern britischer Herkunft ebenfalls Fälle von BSE auf, Tausende von Rindern wurden vernichtet. Das Importverbot für britisches Rindfleisch wurde von der EU im Juli 1999 teilweise aufgehoben.

Der Ackerbau konzentriert sich vor allem auf Ost- und Südmittelengland sowie den Osten Schottlands. Die wichtigsten Anbauprodukte sind Weizen, Gerste, Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln und Hafer. Daneben spielt der Gartenbau eine nicht unbedeutende Rolle: Vielerlei Gemüsesorten, Baum- und Beerenfrüchte, Knollengewächse und Blumen werden kommerziell angebaut. Die hohe Produktivität in diesem Bereich wird durch die Bewirtschaftung großer Felder erzielt – Hecken als Feldbegrenzungen wurden gerodet – sowie durch einen hohen Mechanisierungsgrad der Arbeit und den intensiven Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Diese Trends in der Landwirtschaft stießen, wie auch die Bedingungen der Massentierhaltung, auf wachsende Bedenken in der Öffentlichkeit und begünstigten das Aufkommen der ökologischen Landwirtschaft, die allerdings noch nicht sehr verbreitet ist. Dennoch zeigt sich inzwischen ein Trend zur Reduzierung des Chemikalieneinsatzes in der Landwirtschaft, teils als Folge des neuen Verbraucherbewusstseins, teils aus Kostengründen.

6.2. Forstwirtschaft und Fischerei

Das Vereinigte Königreich verfügt über 2 390 Tausend Hektar Wald (1995). Die häufigsten Bäume sind Eichen, Buchen, Eschen und Ulmen; in Schottland dominieren Kiefern und Birken. In den frühen neunziger Jahren belief sich die Produktion von Rundholz auf insgesamt 6,5 Millionen Kubikmeter. Die Waldkommission initiierte in den fünfziger Jahren ein Wiederaufforstungsprogramm; etwa 16 000 Hektar Boden wurden jährlich neu bepflanzt, hauptsächlich in Schottland. Auch private Eigentümer – sie besitzen insgesamt über 55 Prozent der Waldfläche – wurden zu Wiederaufforstungen angeregt, deren Umfang sich auf 8 000 Hektar pro Jahr belief. Trotz dieser Anstrengungen führt das Vereinigte Königreich jedoch nach wie vor etwa 90 Prozent seines Holzbedarfs ein. Der Anteil des Waldes an der Gesamtfläche betrug 1995 etwa 9,9 Prozent.

Die Fischerei im Vereinigten Königreich deckt etwa 5 Prozent des Eigenbedarfs und umfasst sowohl Hochseefischerei als auch Fischzucht. Die Hochseefischerei erlebte seit den sechziger Jahren einen Niedergang, der zum Teil auch auf EU-Beschränkungen zurückzuführen ist. Für die Wirtschaft Schottlands und einzelner Gebiete im Südwesten Englands ist die Fischerei nach wie vor von Bedeutung und stellt in manchen Hafenstädten einen wichtigen Beschäftigungszweig dar. 1997 wurden 1 025 816 Tonnen Meerestiere gefangen, vor allem Makrelen, Kabeljaus, Schellfische, Seeteufel, Seehechte, Schollen, Flundern, Heringe und Schalentiere. Die für den Handel wichtigsten Süßwasserfische sind Lachse, Forellen und Aale. Zu den bedeutendsten Fischereihäfen gehören Hull, Grimsby, Fleetwood, North Shields, Lowestoft, Plymouth, Brixham und Newlyn in England, Aberdeen, Peterhead, Lerwick, Ullapool und Fraserburgh in Schottland und Kilkeel, Ardglass und Portavogie in Nordirland.

Wie die Landwirtschaft ist auch die Fischerei im Vereinigten Königreich im Großen und Ganzen von der gemeinsamen Fischereipolitik der EU bestimmt. Nachdem die Gewässer Europas lange Zeit überfischt worden waren, wurden nun von der EU strenge Fangquoten erlassen, um die verbliebenen Fischbestände zu erhalten und wieder zu vermehren. Diese Maßnahmen trafen das Vereinigte Königreich besonders hart, da es eine der größten Fischfangflotten der EU unterhält. Fischkutter mussten häufig zwangsweise stillgelegt werden, und die Regierung bot finanzielle Anreize und Programme, um Beschäftigte aus der Fischindustrie abzuziehen.

6.3. Bergbau

Der Kohlebergbau in Großbritannien kann auf eine lange Tradition zurückblicken und lässt sich bis in die Zeit der römischen Besetzung zurückverfolgen. Kohlesteuern lieferten z. B. die nötigen Finanzmittel, um London nach dem großen Brand von 1666 (siehe großer Brand von London) wieder aufzubauen, und Kohle war auch die Hauptenergiequelle und ein Schlüsselfaktor der industriellen Revolution. In diesem Zuge erreichte die Kohleförderung 1913 ihren Höhepunkt; damals wurden 292 Millionen Tonnen produziert, 74 Millionen Tonnen exportiert, und nahezu eine Million Menschen war in dem Sektor beschäftigt. Seither erlitt die Kohleindustrie jedoch einen Niedergang. Die schlimmsten Einschnitte ereigneten sich während der letzten 20 Jahre, vor allem seit dem Ende des erbitterten Bergarbeiterstreiks, der sich über das ganze Jahr 1984 hinzog. Als die Kohleindustrie 1947 verstaatlicht wurde (siehe unten bei Geschichte), wurden von fast 900 Zechen mehr als 200 Millionen Tonnen produziert. Als die staatliche Kohlegesellschaft (British Coal Corporation) Ende 1992 im Rahmen einer Reprivatisierung die ersten 28 Zechen zur Verpachtung an private Betreiber anbot, war die Produktion unter 84 Millionen Tonnen gesunken, und es waren nur mehr 50 Zechen übrig. Knapp die Hälfte davon war noch in Betrieb, als British Coal im Januar 1995 in private Hände überging, und die Gesamtproduktion lag inzwischen bei rund 60 Millionen Tonnen – 1996 waren es sogar nur noch 49 Millionen Tonnen. Die Zahl der Arbeitsplätze war von rund 200 000 im Jahr 1985 auf etwa 11 000 ein Jahrzehnt danach gesunken, was für die Bevölkerung der Bergbauregionen wie z. B. Yorkshire, Nottinghamshire und Derbyshire tief greifende soziale Probleme mit sich brachte. Wichtige Kohlereviere liegen u. a. in Yorkshire, im Nordosten Englands sowie im Süden von Schottland und Wales.

Von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind in erster Linie die ergiebigen Erdöl- und Erdgasvorkommen – vor allem die Lagerstätten in der Nordsee. Seit 1980 kann Großbritannien seinen Bedarf an Erdöl durch eigene Quellen decken. Auch im Bereich Erdgas ist das Königreich Selbstversorger. Die ersten Erdöllagerstätten in der Nordsee wurden 1969 vor der Nordostküste Schottlands entdeckt; die Ölförderung begann 1975. Im Jahr 1980 wurden in 15 Ölfeldern zusammen 1,6 Millionen Barrel pro Tag gefördert – ein Teil ging in den Export. Die Gewinnung von Erdgas aus der Nordsee vor der Ostküste Englands setzte 1967 ein und ist seither ständig angewachsen. Seit 1980 wurden neue Erdöl- und Erdgaslagerstätten vor den Küsten entdeckt sowie kleinere Fundstellen zu Lande, beispielsweise bei Wytch Farm in Dorset. 1994 war das Vereinigte Königreich mit rund 66 Ölfeldern (62 davon im Meer) der zehntgrößte Erdölproduzent der Welt und mit seinen 48 Erdgasfeldern im Meer der fünftgrößte Erdgaslieferant. Der Gesamtumfang der geförderten Rohstoffe betrug 1998 rund 2,62 Millionen Barrel Rohöl pro Tag und 89,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas.
Der Salzabbau reicht, besonders in Cheshire, bis in die vorgeschichtliche Zeit zurück. Im Altertum besuchten phönizische Händler England, um Zinn aus den Minen Cornwalls zu erwerben. Heutzutage sind die Zinnlager jedoch vollständig erschöpft, und auch die Ausbeutung der Kupfer- und Eisenerzlagerstätten ist mittlerweile eingestellt. Dagegen werden Bleierz, Flussspat (siehe Fluorit), Kaolin (in Südwestengland) und Gips (Calciumsulfat) noch abgebaut.

6.4. Industrie

Etwa ein Drittel (um 30 Prozent) aller Erwerbstätigen im Vereinigten Königreich sind heute in der verarbeitenden Industrie beschäftigt. Maschinen- und Fahrzeugbau bilden eine wichtige Grundlage für Großbritanniens Export; allein für das Segment Maschinen und Transportausrüstungen lag der Anteil am Gesamtexport 1997 bei 46 Prozent. Die Nichteisenmetallindustrie Großbritanniens gehört zu den bedeutendsten Europas. In der Eisen- und Stahlindustrie, dem Schiffbau und der Luftfahrtindustrie sind viele der verstaatlichten Betriebe mittlerweile wieder ganz oder teilweise privatisiert worden. Einige traditionelle Industriezweige wie beispielsweise die Textil- und Bekleidungsindustrie haben ihre frühere wirtschaftliche Bedeutung verloren. Dagegen gelten die elektrotechnische- und Elektronikindustrie sowie die chemische und pharmazeutische Industrie als Wachstumsbranchen. Gemessen an den erzielten Einkünften sind die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, die Baustoffherstellung, die Glas- und Keramikindustrie sowie der Tourismus ebenfalls wichtig.

In Schottland und Nordirland besitzen Whiskyherstellung und Textilproduktion, vor allem Tweed und Leinen, eine lange Tradition. Heute ist Schottland aber auch innerhalb des Vereinigten Königreiches führend in der Computerherstellung. Die traditionellen Industrieregionen Englands sind z. B. Greater London und die städtischen Ballungsräume (mit Grafschaftsstatus) Greater Manchester, West Midlands (Birmingham), South Yorkshire und Tyne and Wear.

6.5. Währung, Banken und Finanzwesen

Die Landeswährung im Vereinigten Königreich ist das Pfund Sterling (= 100 New Pence). 1968 leitete das Vereinigte Königreich die auf drei Jahre angelegte Umstellung der Münzzählung auf das Dezimalsystem ein, indem zunächst die ersten beiden neuen Münzen eingeführt wurden, die 5-New-Pence-Münze (entspricht einem früheren Shilling) und die 10-New-Pence-Münze. 1969 wurde die 50-Pence-Münze eingeführt, die die frühere 10-Shilling-Banknote ersetzte. Die Umstellung war 1971 abgeschlossen. Das Pfund wurde im Juni 1972 mit flexiblem Wechselkurs gegen den Dollar und andere Währungen freigegeben.

Die Bank von England, gegründet 1694, wurde 1946 verstaatlicht. Sie ist die Zentralnotenbank für England und Wales. Verschiedene Banken in Schottland und Nordirland haben daneben das Recht, in beschränktem Umfang Banknoten auszugeben. Großbritannien verfügt außerdem über etwa 13 große Geschäftsbanken mit mehr als 10 000 Zweigstellen im In- und Ausland. Finanzdienstleistungen werden auch von der Post, den Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie Bausparkassen erbracht.

Des Weiteren umfasst das britische Bankwesen eine Reihe von inländischen Clearing- oder Girobanken, Diskontbanken und weiteren Finanzinstituten wie die Londoner Wertpapierbörse und den Versicherungsmarkt von Lloyd’s, die zur Bedeutung des Vereinigten Königreiches als führendes Weltfinanzzentrum beitragen. Der Hauptsitz des Finanzdienstleistungsgewerbes im Königreich ist seit jeher London. Dies ist auch heute noch der Fall, obwohl sich Großstädte wie Manchester, Cardiff, Liverpool, Leeds, Edinburgh und Glasgow in den letzten Jahren ebenfalls zu Finanzzentren entwickelten. Die britische Hauptstadt weist jedoch die weltweit größte Konzentration an ausländischen Geldinstituten auf. Hier werden 20 Prozent der gesamten internationalen Bankkreditvergabe abgewickelt. London besitzt auch einen der weltweit größten Versicherungsmärkte, ist das Weltzentrum für den Handel mit ausländischen Stammaktien, besitzt einen der größten Märkte für den Handel mit finanziellen Derivaten und ist einer der wichtigsten Märkte für Handelsgüter wie Kupfer, Gold, Kakao und Kaffee.

Großbritannien nimmt, ebenso wie Dänemark, vorerst nicht an der Europäischen Währungsunion teil. Beide Länder machen von einer Ausnahmeregelung (so genannte Opting-Out-Klausel) Gebrauch, die im EU-Vertrag verankert ist.

6.6. Außenhandel

Dem Außenhandel kommt im Vereinigten Königreich seit Jahrhunderten eine zentrale Bedeutung zu. Die Führungsposition, welche die Nation im 18. und 19. Jahrhundert im Welthandel innehatte, geht wesentlich auf ihre abgeschiedene Insellage zurück. Während auf dem europäischen Festland Kriege und politische Spannungen die Entwicklung der Handelszentren belasteten, blieben die Britischen Inseln davon verschont. Die Entstehung der großen Handelsgesellschaften (siehe Ostindische Kompanie; Hudson’s Bay Company), die Ausdehnung des Kolonialreiches und die Beherrschung der Weltmeere waren weitere Faktoren. Vor dem 17. Jahrhundert lag der Außenhandel Englands fast ausschließlich in ausländischen Händen. Das Hauptexportgut war Wolle, eingeführt wurden vor allem gefertigte Güter. Im Sinne des Merkantilismus – der beherrschenden Wirtschaftstheorie des 17. und 18. Jahrhunderts – förderte die Regierung den Außenhandel, die Entwicklung der Seefahrt und die Entstehung von Handelsgesellschaften. Die überseeischen Besitzungen des Königreiches vermehrten sich im 18. und 19. Jahrhundert. In den Kolonien wurde die Wollegewinnung durch Schafzucht zur wirtschaftlichen Hauptbeschäftigung. Allmählich kehrte sich die bisherige Praxis des Wolleexports und Warenimports um; das Vereinigte Königreich importierte nun Wolle und fertigte im eigenen Land Garn und Stoffe für den Export. Baumwolltextilien, Eisen und Stahl sowie Kohle zählten zu den typischen britischen Exportgütern.
Heute ist das Vereinigte Königreich die fünftgrößte Handelsnation der Welt und exportiert mehr Güter pro Kopf als die Vereinigten Staaten und Japan. Durch die Mitgliedschaft in der EU und, seit Januar 1994, im Europäischen Binnenmarkt gehört das Königreich auch zum größten Wirtschaftsraum der Welt. Die Hauptimportgüter sind Maschinen, Kraftfahrzeuge, Nahrungsmittel, mineralische Brennstoffe, chemische Produkte, Anlagen für elektronische Datenverarbeitung und andere gefertigte Güter. Die wichtigsten Exportartikel sind neben Maschinen und Kraftfahrzeugen grundlegende Gebrauchsgegenstände, Erdöl, chemische Produkte, Nahrungsmittel, Präzisionsinstrumente sowie Raumfahrt- und Elektronikausstattung. Großbritanniens Haupthandelspartner sind Deutschland, USA, Frankreich, die Beneluxländer, Japan und Italien.

6.7. Verkehrswesen

Der Straßenverkehr bildet den wichtigsten Bereich des britischen Verkehrssystems. Das öffentliche Straßennetz im Vereinigten Königreich ist allerdings unterschiedlich gut ausgebaut: Über 71 Prozent des gesamten Straßennetzes und fast 85 Prozent des Autobahnnetzes liegen in England. 1994 drosselte die Regierung ihr Straßenbauprogramm. Dies war zum Teil eine Reaktion auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach der Bau neuer Fernstraßen und Autobahnen nicht, wie beabsichtigt, zu einem fließenderen Verkehr, sondern zu mehr Verkehrsaufkommen insgesamt geführt hatte – eine Bestätigung der bereits früher von Umweltschützern erstellten Prognose. Das Straßennetz hat eine Gesamtlänge von 371 603 Kilometern. In Großbritannien herrscht Linksverkehr.

Die erste öffentliche dampfgetriebene Eisenbahn der Welt, die Stockton-on-Tees und Darlington-Eisenbahn, ging 1825 in Betrieb. Es folgte ein Vierteljahrhundert grenzenloser Eisenbahnbegeisterung, die in einem neu entstehenden Streckennetz von über 9 600 Kilometern ihren Ausdruck fand. Die Ausweitung des Streckennetzes setzte sich etwas verlangsamt noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein fort. Während der ersten 100 Jahre der Eisenbahn schlossen sich die unzähligen kleinen Betreibergesellschaften allmählich zusammen, verschmolzen oder wurden von größeren aufgekauft. 1923 gab es nur noch vier große Vereinigungen in Großbritannien: die London, Midland and Scottish Railway, die London and North Eastern Railway, die Great Western Railway und die Southern Railway. 1948 wurden sie einschließlich der dazugehörenden Strecken, Bahnhöfe, Hotels und Kanäle verstaatlicht und der britischen Verkehrskommission der Regierung zur Verwaltung unterstellt. 1963 löste der British Railways Board (BR) die Kommission ab. 1955 begann ein Modernisierungsprogramm, das nach und nach alle Dampfeisenbahnen durch Diesel- und elektrisch angetriebene Lokomotiven ersetzte. Die letzte Dampflokomotive wurde von der Eisenbahnbehörde 1968 aus dem Verkehr gezogen. Ein weiterer Einschnitt war die Schließung vieler unwirtschaftlicher Streckenabschnitte während der sechziger Jahre. Durch die Maßnahmen sollten Kosten gespart und die Leistungen rationalisiert werden, um der wachsenden Konkurrenz durch den Frachttransport auf der Straße zu begegnen. Dieser Plan, den Richard (später Lord) Beeching, der Vorsitzende des BR, in den Jahren 1963 bis 1965 entworfen und autorisiert hatte, wurde später im Volksmund als „Beeching-Act” bekannt.
Bis 1994 war der BR in sechs Verwaltungsregionen gegliedert: London Midland, den Westen, Süden und Osten sowie Anglia und Schottland. 1994 trat ein bereits 1993 erlassenes Eisenbahngesetz in Kraft, das die Bahnbehörde reorganisierte, um schließlich ihre Privatisierung ab 1995 vorzubereiten. Die Zuständigkeiten für das Schienennetz und die Züge wurden getrennt. Für das Streckennetz war nun eine Gesellschaft im Besitz der Regierung verantwortlich; den Gütertransport übernahmen, nach Gebieten getrennt, drei Betreibergesellschaften, die 1995 privatisiert wurden. Die Personenbeförderung wurde auf 25 innerhalb des BR operierende Abteilungen mit dem Ziel abgegeben, durch die Vergabe von Konzessionen für einzelne Personenverkehrsstrecken an private Betreiber schließlich eine Privatisierung einzuleiten. In der ersten Hälfte des Jahres 1995 startete das Bewerbungsverfahren um die ersten sechs Streckenkonzessionen. Für das Jahr 1996 waren weitere Konzessionsvergaben geplant. Es kam jedoch zu Verzögerungen, da die Bestrebungen zur Privatisierung der Eisenbahnbehörde äußerst umstritten waren und im Vereinigten Königreich auf massive Kritik stießen.

Heute sind etwa 30 Prozent des Streckennetzes elektrifiziert. Hinzu kommen circa 408 Kilometer Schienennetz in London, das von der Londoner U-Bahn-Gesellschaft (London Underground Ltd.) betrieben wird und zu etwa 42 Prozent unterirdisch verläuft. Dieses Streckennetz wird zurzeit durch den Bau neuer Verbindungen im Osten und Südosten Londons erweitert. Darüber hinaus gibt es in Glasgow, Liverpool, Tyne and Wear und Manchester städtische Schienennetze. Die Eisenbahnlinien in Nordirland werden von der dortigen Eisenbahngesellschaft Northern Ireland Railway Company Ltd. betrieben. Anfang der neunziger Jahre waren in Nordirland rund 330 Kilometer in Betrieb. Der Gesamtumfang des Schienennetzes in Großbritannien beträgt 16 536 Kilometer.

Die – allerdings immer auch kontrovers diskutierte – Verwirklichung einer festen Landverbindung zwischen der britischen Hauptinsel und Europa, nahm im 20. Jahrhundert Gestalt an. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begannen Arbeiten an einem Tunnel unter dem Ärmelkanal. Das Vorhaben wurde im Lauf der Zeit mit zum Teil länger andauernden Unterbrechungen mehrmals wieder aufgegriffen – zuletzt 1987. 1990 gelang nach drei Jahren Arbeit die Fertigstellung eines Hilfstunnels. Die eigentliche Konstruktion mit zwei Tunnelröhren verbindet die Städte Folkestone und Calais und besitzt eine Länge von 52 Kilometern. Die Baukosten beliefen sich auf über 16 Milliarden US-Dollar. Der Gesamttunnel verläuft 130 Meter unterhalb des Meeresspiegels und wurde 1993, über ein Jahr später als geplant, fertig gestellt.

In den beiden großen Tunnelröhren (eine dritte, kleinere dient zu Rettungs- und Wartungszwecken) verkehren Spezialzüge, die Passagiere und Fahrzeuge aufnehmen. Die Fahrzeit reduziert sich gegenüber dem Fährverkehr erheblich. Am 6. Mai 1994 wurde der Eurotunnel offiziell eröffnet und zu diesem Anlass von Königin Elisabeth II. und dem französischen Präsidenten François Mitterrand erstmals durchfahren. Der Güterverkehr wurde noch im selben Monat freigegeben, die Personenbeförderung begann jedoch erst ein knappes Jahr später. Bislang hat die von privaten Geldgebern mitfinanzierte Tunnelbetreibergesellschaft Verluste in Rekordhöhe eingefahren. Sie gefährdet andererseits die wirtschaftliche Grundlage der Fährschifffahrt, die auf die neue Konkurrenz mit massiven Preiszugeständnissen reagieren musste. Zwei spektakuläre Brände in den Tunnelröhren blieben ohne größere Auswirkungen.

Von dem über 4 000 Kilometer langen Binnenwasserstraßennetz wird nur ein kleiner Teil gewerblich genutzt. Im Bereich Schifffahrt sind neben der Fischerei und dem Fährverkehr vor allem die Handelsschifffahrt von Bedeutung. Wichtige Seehäfen sind z. B. London, Southampton, Dover, Liverpool und Manchester, Glasgow und Greenock in Schottland sowie Belfast in Nordirland.

Die britische Fluggesellschaft British Airways entstand 1974 durch die Fusion der beiden damaligen staatlichen Fluggesellschaften für Übersee und Europa, British Overseas Airways Company und British European Airways. 1976 führte British Airways zusammen mit der französischen Fluggesellschaft Air France die Concorde als erstes Überschallflugzeug zur Personenbeförderung im Linienverkehr ein. British Airways wurde 1987 privatisiert. Neben der nationalen Fluggesellschaft gibt es im Vereinigten Königreich zahlreiche unabhängige Anbieter. Zu ihnen zählen Air UK, British Midland, Virgin Atlantic und Britannia Airways.
Die zwei großen Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick gehören zu den verkehrsreichsten Drehscheiben des internationalen Personenverkehrs der Welt. In Heathrow werden Jahr für Jahr an die 50 Millionen Passagiere abgefertigt. Damit ist Heathrow der Flughafen mit dem weltweit größten internationalen Verkehrsaufkommen. In Gatwick werden jährlich etwa 20 Millionen Passagiere gezählt. Darüber hinaus gibt es weitere 146 lizenzierte Zivilflugplätze im Vereinigten Königreich. Elf davon haben ein Verkehrsaufkommen von über einer Million Passagieren pro Jahr. Zu ihnen gehören u. a. Manchester, Luton (bei London), Glasgow, Aberdeen und Belfast.

1970 trat das Vereinigte Königreich der europäischen Airbus Industrie, einem europäischen Konsortium der Luftfahrtindustrie, als Geschäftspartner bei, 1979 wurde es Vollmitglied. Die Airbus Industrie baut mittlere bis große Großraum-Passagierflugzeuge, wobei jedes Konsortiumsmitglied ganz spezifische Beiträge leistet. Mitgliedsstaaten sind Frankreich, Deutschland, Belgien, die Niederlande und Spanien.

6.8. Tourismus

Die Tourismusbranche beschäftigt 7 Prozent aller Erwerbstätigen und trägt Einnahmen von etwa 20 Milliarden US-Dollar jährlich zur Gesamtwirtschaft bei. Das Vereinigte Königreich zählt zu den beliebtesten Urlaubszielen der Welt. 1998 zog es rund 25,8 Millionen Besucher aus dem Ausland an. Mit dem Tourismusförderungsgesetz von 1969 wurde die British Tourist Authority (Britische Fremdenverkehrszentrale) gegründet. Diese staatliche Organisation ist für die Öffentlichkeitsarbeit und die Verbesserung des Unterkunfts- und Transportangebots für Touristen zuständig.

6.9. Energie

Großbritannien besitzt die umfangreichsten Rohstoffe aller EU-Länder und ist darüber hinaus ein weltweit bedeutender Erdöl- und Erdgaslieferant. Weitere wichtige Energiequellen sind Kohle und Kernenergie. Wasserkraft war in der Frühphase der Industrialisierung die Hauptenergiequelle, spielt aber heute abgesehen von einigen Wasserkraftwerken in Schottland kaum noch eine Rolle. Die Entwicklung alternativer Energien befindet sich noch in den Anfängen, vor allem der Bau so genannter Windfarmen in Gebieten Nord- und Südwestenglands, in Wales und in Schottland. 68,24 Prozent der benötigten Energie erzeugten 1998 Wärmekraftwerke, 28,48 Prozent stammen aus Kernkraftwerken und gut 1,49 Prozent aus Wasserkraftwerken. Die Jahresgesamtproduktion für 1998 betrug 343,1 Milliarden Kilowattstunden. Davon gingen 36 Prozent in private Haushalte, 34 Prozent benötigte die Industrie. Die Elektrizitätsindustrie wurde 1989 privatisiert.

Das Vereinigte Königreich gehörte zu den ersten Staaten, die Kernkraftwerke zur Stromerzeugung einsetzten. Das erste große, kommerziell genutzte Atomkraftwerk der Welt, das Kraftwerk Calder Hall in Cumberland, ging 1956 in Betrieb. In der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield ereigneten sich eine Reihe von Störfällen, die die Umwelt erheblich belasteten und heftige Kritik auslösten. Dennoch lieferte die Atomenergie immerhin knapp ein Drittel des Stromes im Vereinigten Königreich.
Autor:Robert Morten
Datum:Donnerstag, 2.August.2001, 18:55
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