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Alle Artikel zu England und dem Vereinigten Königreich auf einen Blick
Thema: England und Großbritannien
Z.Zt. sind ca. 420 Artikel zu England und Großbritannien in 5 Rubriken in dieser Datenbank erfaßt. So finden Sie in Standard die Hauptartikel zu Britannia, in Hintergrund die Informationen der Hauptartikel im europäischen oder geschichtlichen Zusammenhang und mit größerer Detaillierung, in Biografie die Kurzbiografien der in Standard und Hintergrund angesprochenen handelnden Personen, in Kommentar zukünftig meine subjektive Bewertungen und Anmerkungen und in Sonstiges Detailinformationen zu Dynastien, Schauplätzen, Dokumenten und vielem anderen mehr.

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17.07.2001; Robert Morten

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Titel:Großbritannien zwischen den Weltkriegen
Untertitel:Garantiemacht der Zwischenkriegsordnung (1919 bis 1939)
kat:Hintergrund
subkat:Geschichte
subsubkat: 
aufmacher:Als Garantiemächte der Nachkriegsordnung fungierten in Europa Großbritannien und Frankreich. Zusammen mit den Vereinigten Staaten hatten sie Deutschland und seinen Verbündeten die Bedingungen des Friedens diktiert. Nachdem die USA den Versailler Vertrag nicht ratifiziert und vorerst den Rückzug aus Europa angetreten hatten, sahen sich die westeuropäischen Großmächte allein mit der Frage konfrontiert, wie der Frieden durchgesetzt und behauptet werden könnte. Parallel zu dieser zentralen außenpolitischen Aufgabe waren beide Länder mit den spezifischen Problemen der Nachkriegszeit konfrontiert. Sie waren zwar die Siegermächte, aber der Krieg hatte auch bei ihnen große Schäden angerichtet und weit reichende Veränderungen eingeleitet.
text:Appeasement - Die Entspannungspolitik Großbritanniens

Großbritannien war zum Schuldner der Vereinigten Staaten geworden. Die britische Wirtschaft stand vor erheblichen Strukturproblemen, sodass ihre Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich abnahm. Die britische Gesellschaft erlebte keine revolutionären Erschütterungen, und die 1919 in Glasgow gehissten roten Fahnen waren untypisch für die politische Gesamtlage. Aber die Gesellschaft befand sich doch in einer Umbruchphase. Der oft zu hörende Wunsch, man wolle zur Vorkriegsnormalität zurückkehren, war unerfüllbar. Zur Vorkriegsnormalität hätte auch die Behauptung Londons als Bankenplatz und Drehscheibe der internationalen Kapitalströme gehört sowie im Interesse von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung die Wiederherstellung eines möglichst liberalen Welthandels im Rahmen einer allseits akzeptierten Friedensordnung. Solche Ziele waren 1919 schlechterdings nicht in Reichweite. Belastende Wirtschaftskrisen und hohe Arbeitslosigkeit traten an ihre Stelle. Hinzu kam, dass einige Faktoren des Wandels, die schon vor dem Ersten Weltkrieg zu bemerken gewesen waren, jetzt noch größere Umstellungen erforderten. Zu nennen ist vor allem das weitere Erstarken der organisierten Arbeiterbewegung, die das britische Parteiensystem veränderte.
Der Zenit britischer Machtentfaltung in der Welt war deutlich überschritten. Jetzt ging es darum, das durch den Ersten Weltkrieg reduzierte Machtpotenzial wenigstens zu erhalten und ein ausreichendes Maß an politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität zu sichern. Unverzichtbare Voraussetzung dafür war eine Friedensordnung, die die Feindschaften des Krieges hinter sich ließ und ausgewogen genug war, um einen erneuten Absturz in einen allgemeinen Krieg zu vermeiden. Ein neuer Krieg würde das Ende der britischen Weltmachtstellung mit allen innerbritischen Konsequenzen mit sich bringen. Frieden dagegen versprach nicht nur das Weiterbestehen der britischen Weltmacht und des Weltreichs, sondern begünstigte auch notwendige wirtschaftliche Anpassungen sowie innen- und sozialpolitische Reformen. Auf sie konnte man sich nur konzentrieren, wenn die äußere Sicherheit keine Probleme aufwarf. Friedenswahrung lag also im nationalen Interesse. Das Land war auf Frieden geradezu angewiesen und auf eine Politik des appeasement festgelegt, wie der zeitgenössische Begriff für Entspannung lautete, der in den Zwanzigerjahren immer wieder zur Kennzeichnung der Grundlinie britischer Politik benutzt wurde und keineswegs nur mit der britischen Haltung in der unmittelbaren Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs seit 1937 in Verbindung gebracht werden darf.
Alle britischen Regierungen der Zwischenkriegszeit folgten in der Ausrichtung ihrer Politik diesen Leitvorstellungen. Grundlegend wirkte bereits Premierminister David Lloyd George in dieser Weise, als er im März 1919 während der Pariser Friedenskonferenz auf den Zusammenhang von innergesellschaftlicher und internationaler Stabilität hinwies. Er verlangte von seinen Kollegen, den Staats- und Regierungschefs der Siegermächte, die »Leidenschaften des Krieges« zu vergessen und auf einen Rache- und Straffrieden zu verzichten. Man müsse einen Friedensschluss anstreben, »der nicht einen neuen Krieg hervorruft«. Damit appellierte er an die französische Regierung, Deutschland einen Frieden aufzuerlegen, den es in dem Glauben unterzeichnen könne, die damit einhergehenden Verpflichtungen auch erfüllen zu können. Lloyd George trat keineswegs als Freund der Deutschen auf, sondern argumentierte aus der britischen Interessenlage heraus. Eine Ausgrenzung oder Demütigung des geschlagenen Deutschland könne nicht ohne negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft bleiben, was wiederum Großbritannien zu spüren bekäme, weil die für das Land lebenswichtige außenwirtschaftliche Entwicklung darunter leiden müsse. Ausbleibendes Wirtschaftswachstum werde zu gesellschaftlichen Konflikten führen. Der »Geist der Revolution«, der in Europa bereits grassierte, werde dann weitere Kreise ziehen, denn »die gesamte bestehende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung« werde »von der Masse der europäischen Bevölkerung infrage gestellt«. Dagegen müsse man einen Damm errichten, nämlich einen Frieden, der »für alle vernünftigen Leute der Alternative des Bolschewismus vorzuziehen wäre«.

Wirtschaftskrisen und Reformversuche

Die britische Arbeiterschaft war zu diesem Zeitpunkt nur in erhöhter Konfliktbereitschaft und führte vermehrt Streiks durch. Lloyd George interpretierte dies völlig realistisch als »Gefühl der Unzufriedenheit« und als »Auflehnung gegen die Vorkriegszustände«. An ihre Stelle müssten bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen treten. Ohne Reformbereitschaft, die am besten unter dem Vorzeichen von Frieden und wirtschaftlicher Prosperität gedeihen könne, müsse mit einer Destabilisierung des gesellschaftlichen Gefüges gerechnet werden. Großbritannien sollte in den Worten Lloyd Georges ein Ort sein, der sich seiner »Helden«, die im Krieg große Opfer gebracht hätten, »würdig« erwies, es sollte ein »home fit for heroes« sein, ein Zuhause, das für Helden geeignet ist. Als Beitrag dazu wurde der Wohnungsbau mit öffentlichen Geldern gefördert. Die Arbeitslosenversicherung wurde auch auf Arbeiter mit weniger als fünf Pfund Wochenlohn ausgedehnt, sodass jetzt zwölf statt bisher drei Millionen von der Versicherung erfasst wurden. Allerdings geriet die Versicherung in finanzieller Hinsicht bald in Bedrängnis, weil die Zahl der Arbeitslosen dramatisch anstieg, als der kurze Nachkriegsboom der britischen Wirtschaft zu Ende ging. Im Jahr 1921 verzeichnete man 14,8 Prozent Arbeitslose (gegenüber 2,4 Prozent 1919/20). Bis Ende der Dreißigerjahre sank die Arbeitslosigkeit nie unter 11 Prozent. In der Weltwirtschaftskrise betrug sie bis zu 22 Prozent.
Von der Krise besonders betroffen waren die »alten« Industrien (Baumwolle, Kohle, Schiffsbau, Eisen und Stahl), die Großbritannien im 19. Jahrhundert zu seiner Macht verholfen, jetzt aber den Anschluss an die internationale Entwicklung weitgehend verloren hatten. Während die südlichen Midlands und Südostengland mit den »neuen« Industrien (Elektroindustrie, chemische Industrie, Fahrzeugbau, Konsumgüterproduktion, Bauwesen) gute Ergebnisse verzeichneten, herrschte in den betroffenen Gebieten von Wales, Schottland, Nordostengland, West-Yorkshire und Lancashire extrem hohe Massenarbeitslosigkeit. Auf dem Höhepunkt der Krise 1931/32 waren 35 Prozent der Bergleute, 43 Prozent der Arbeiter in der Baumwollindustrie, 48 Prozent der Stahlarbeiter und 68 Prozent der im Schiffsbau Beschäftigten ohne Arbeit.

Arbeitskämpfe

Insbesondere im Bergbau kam es wiederholt zu langen Streiks mit unversöhnlichen Gegensätzen. Entgegen den Erwartungen der Arbeiter wurde die im Krieg erfolgte De-facto-Verstaatlichung von Bergbau, Elektrizität und Transport rückgängig gemacht. Im Kohlebergbau existierten nun 1500 Firmen mit 2500 Gruben. Es gab keine einheitlichen Löhne. Als die Bergarbeitergewerkschaft im April 1921 einen Streik beschloss, blieb sie ohne die erwartete solidarische Unterstützung anderer Gewerkschaften, sodass der dreimonatige Ausstand mit einer Niederlage der Arbeiter endete. Dies wiederholte sich 1926, obwohl diesmal gewerkschaftliche Solidarität gegeben war. Der Kohlebergbau war immer stärker unter internationalen Konkurrenzdruck geraten. Symptomatisch für die britische Wirtschaft insgesamt war der Modernisierungsrückstand. Während an der Ruhr die Förderung zu 80 Prozent mit Maschineneinsatz erfolgte, war dies in Großbritannien nur zu 25 Prozent der Fall. Als die Unternehmer längere Arbeitszeiten bei niedrigeren Löhnen forderten und der Staat nur vorübergehend zu Subventionszahlungen bereit war, kam es schließlich im Mai 1926 zu der einschneidenden Kampfmaßnahme eines Generalstreiks. Auf ihn war die Regierung besser vorbereitet als die Gewerkschaften, sodass eine Lähmung des Landes ausblieb. Zudem dauerte er nur zehn Tage und blieb ohne greifbares Ergebnis, was auch auf die sechsmonatige Fortsetzung des Streiks durch die Bergleute allein zutrifft. Die Serie der Arbeitskämpfe im Großbritannien der Nachkriegszeit war mit einer empfindlichen Niederlage der Gewerkschaftsbewegung zu Ende gegangen. Der Triumph der konservativen Regierung, in der der damalige Schatzkanzler Winston Churchill die Antistreikmaßnahmen koordinierte, wurde dadurch komplett, dass 1927 ein Gesetz verabschiedet wurde, das Sympathiestreiks für die Zukunft verbot und die Abführung von Gewerkschaftsbeiträgen an die Labour Party nur bei ausdrücklicher Zustimmung des einzelnen Mitglieds gestattete. Die Zahlungen von den Gewerkschaften an die Parteiorganisation gingen danach um ein Drittel zurück.

Großbritannien ein Hort der Stabilität

Darüber hinaus versuchte die Regierung, innenpolitisches Kapital aus dem Generalstreik zu schlagen, indem behauptet wurde, die Gewerkschaften hätten eine politische Machtprobe unter Inkaufnahme eines Verfassungskonflikts im Sinn. Tatsächlich verlief der Streik überwiegend friedlich und stellte weder das staatliche Gewaltmonopol noch das parlamentarische System infrage. Vereinzelte Barrikaden waren weniger typisch als ein Fußballspiel zwischen Streikenden und Polizisten. Daran ist abzulesen, in welch hohem Maß die verfassungsmäßigen Institutionen auf Zustimmung stießen. Radikale Parteien, wie die britischen Kommunisten oder später die British Union of Fascists, blieben ohne jede Massenbasis eine Randerscheinung. Großbritannien war auch unter den Schlägen der Weltwirtschaftskrise im Vergleich zu anderen Ländern namentlich zu Deutschland ein Hort der Stabilität, wobei man hinzufügen muss: auch der überkommenen Klassengesellschaft, in der ein Prozent der Bevölkerung über zwei Drittel des Volksvermögens verfügte. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass die nach dem Krieg erstmals als Regierungspartei auftretende Labour Party zwar die alte Liberal Party als parlamentarische Gegenkraft zu den Konservati- ven ablöste, die Spielregeln des bestehenden politischen und darüber hinaus auch des sozioökonomischen Systems aber peinlich genau beachtete. Durchgehend war die Labour Party eine antirevolutionäre Partei, die Reformen anstrebte, aber grundstürzende Veränderungen vermeiden wollte. Wer zum Beispiel in den Dreißigerjahren für die Bildung einer Volksfront unter Einschluss der Kommunisten eintrat, wurde aus der Labour Party ausgeschlossen.
Insgesamt stand die britische Innenpolitik in der Zwischenkriegszeit unter der Vorherrschaft der Konservativen Partei, die zusätzlich noch davon profitierte, dass es 1931 zur Spaltung der Labour Party kam. Die seit 1929 amtierende Labour-Minderheitsregierung stand 1931 vor der Frage, ob angesichts des Haushaltsdefizits Kürzungen bei der Arbeitslosenversicherung erfolgen sollten. Premierminister James Ramsay MacDonald, der dies befürwortete, fand zwar nicht die Zustimmung seiner Partei, wurde aber Premierminister einer Regierung der Großen Koalition, des National Government, der auch Konservative und Liberale angehörten. Die große Mehrheit der Labour Party ging in die Opposition. Diese Koalition regierte bis 1940, wurde aber seit 1935 von Premierministern der Konservativen geführt, zunächst von Stanley Baldwin und ab 1937 von Arthur Neville Chamberlain. Im Mai 1940 folgte dann eine Allparteienregierung unter Einschluss auch der Labour Party mit Premierminister Churchill an der Spitze.
Autor:Robert Morten
Datum:Samstag, 11.August.2001, 18:50
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