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Alle Artikel zu England und dem Vereinigten Königreich auf einen Blick
Thema: England und Großbritannien
Z.Zt. sind ca. 420 Artikel zu England und Großbritannien in 5 Rubriken in dieser Datenbank erfaßt. So finden Sie in Standard die Hauptartikel zu Britannia, in Hintergrund die Informationen der Hauptartikel im europäischen oder geschichtlichen Zusammenhang und mit größerer Detaillierung, in Biografie die Kurzbiografien der in Standard und Hintergrund angesprochenen handelnden Personen, in Kommentar zukünftig meine subjektive Bewertungen und Anmerkungen und in Sonstiges Detailinformationen zu Dynastien, Schauplätzen, Dokumenten und vielem anderen mehr.

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17.07.2001; Robert Morten

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Titel:England unter Heinrich VIII. und Elisabeth I. (1509 bis 1603)
Untertitel:König Blaubart und die Feenkönigin
kat:Hintergrund
subkat:Geschichte
subsubkat:Tudor
aufmacher:Selbst in dem an farbigen Persönlichkeiten so reichen Zeitalter der Renaissance war der seit 1509 regierende König Heinrich VIII. von England eine auffallende Erscheinung: von ausladender Körperlichkeit, den Freuden der Sinne mit der ganzen Fülle seines Leibes und mit der Unrast seiner Seele zugetan; zugleich ein Monstrum an fühlloser Selbstsucht, das sich unliebsam gewordener Ehefrauen auf dem Schafott entledigte.
text:Der Bruch mit Rom

Dieser Gargantua auf dem Thron lebte gewaltig und gewalttätig, aber er herrschte eigentlich nicht. Auch an der Kunst und den Wissenschaften interessiert, widmete er sich den Reizen des Daseins, nachdem ein Feldzug gegen die Franzosen in den Jahren 1512 bis 1514 seinen jugendlichen Tatendrang gestillt hatte. Die Staatsgeschäfte Englands überließ er derweil seinem Kanzler Thomas Wolsey, einem ehrgeizigen Kirchenmann, der Land und Kirche straffer Kontrolle unterwarf und außenpolitisch das Papsttum nach Kräften unterstützte. 1525 vollzog Wolsey die Wendung des Papstes Klemens VII. gegen das Haus Habsburg mit, dessen Übermacht die Kurie fürchtete. Die neue Frontstellung Englands gegen Kaiser Karl V. wirkte sich störend auf das Privatleben Heinrichs VIII. aus. Der König wünschte die Scheidung von seiner Gemahlin Katharina von Aragonien, einer Tante des Kaisers, die ihm auch nach zwanzig Ehejahren noch nicht den ersehnten Thronfolger geboren hatte, sondern lediglich eine Tochter, die spätere Königin Maria I. Von Karl V. gedrängt, verweigerte der Papst die von Heinrich gewünschte Auflösung der Ehe. Der verzweifelte König, der darauf brannte, endlich seine Geliebte Anna Boleyn zu heiraten, schenkte daraufhin den Einflüsterungen von Gegnern Wolseys und des englischen Klerus Gehör. Sobald er die päpstlichen Rechtsbefugnisse in England abgeschafft haben würde, könne er sich Katharinas mühelos entledigen. Heinrich entließ Wolsey und stützte sich fortan auf seinen neuen Mitarbeiter Thomas Cromwell, der bereit war, mithilfe antiklerikaler Kräfte im Unterhaus des Parlaments den Bruch mit Rom unter dem Anschein von Legitimität zu vollziehen. 1532 wurde die englische Geistlichkeit gesetzlich verpflichtet, Heinrich VIII. als »Oberstes Haupt der Kirche« (supreme head) anzuerkennen. Damit erlangte der englische Monarch eine Stellung als Leiter des Kirchenwesens in seinem Lande, wie sie auf dem Kontinent die lutherischen Reichsfürsten innehatten. Eine Reform theologischer Lehre und geistlichen Lebens ging mit diesem Schritt jedoch nicht einher.

Nachdem das Parlament im Act of Appeals die Appellationen in Fragen des Eherechts nach Rom untersagt hatte, konnte der neue, selbst lutherisch gesinnte Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, Heinrichs Ehe mit Katharina im Mai 1533 endlich annullieren. Dies schien dringend geboten, denn im Januar hatte der König bereits die schwangere Anna Boleyn geheiratet. 1534 verpflichtete der Act of Succession des Parlaments alle Untertanen zum Eid auf die neue Kirchenverfassung und die Thronfolge. Eidverweigerer, die ihren Gewissenspflichten folgten, wurden hingerichtet, so der Bischof von Rochester, John Fisher, und der Humanist Thomas More. Cromwell sah große außenpolitische Chancen für England als künftige Führungsmacht der Protestanten Europas; deshalb bekämpfte er unerbittlich jede Regung des altkirchlichen Widerstandes. Viele romtreue »Hochverräter« endeten auf dem Schafott. Auch Anna Boleyn starb auf dem Blutgerüst. Heinrich war darüber erbittert, dass sie ihm nur eine Tochter, die spätere Königin Elisabeth I., geboren hatte, und ließ sie wegen angeblichen Ehebruchs und Inzests hinrichten. Kaum war das Haupt seiner Frau gefallen, heiratete er Johanna (Jane) Seymour, die 1537 bei der Geburt des ersehnten Sohnes Eduard (VI.) starb. Da Cromwell immer mehr in den Dimensionen europäischer Politik dachte, überredete er Heinrich zu einer Ehe mit der deutschen Prinzessin Anna von Cleve, die im Oktober 1539 gefeiert wurde. Maßlos enttäuscht von seiner neuen Frau vom Niederrhein, begann der König Cromwell zu hassen, den er für den Schuldigen an seinem ehelichen Unglück hielt. Dessen Feinde hatten nun leichtes Spiel. Im Juli 1540 kam es zum Sturz und zur Hinrichtung des Mannes, der den Abfall Englands von Rom ermöglicht hatte. Heinrich VIII. regierte fortan selbst. Jugendliche Unruhe bemächtigte sich des alternden Berserkers, und so brach er 1542 einen Krieg gegen Schotten und Franzosen vom Zaun. Die zweijährigen Kämpfe ruinierten die Finanzen Englands, sodass das Königreich eine schwere Krise durchlebte, als Heinrich im Januar 1547 starb.

Krise und Sieg der englischen Reformation

Der neue König Eduard VI. zählte erst zehn Jahre. Die Regentschaft führte sein Onkel Edward Seymour, Herzog von Somerset, ein überzeugter Protestant. Kirchenpolitisch warf er das Steuer herum und sorgte für die Zerstörung der traditionellen, im Kern noch katholischen Kultformen. Vom Genfer Reformator Johannes Calvin beeinflusst, ordnete der Regent die Entfernung der Heiligenbilder aus den Kirchen an. Dagegen erhob sich das Landvolk in Cornwall und im Norden, wo sich die wirtschaftliche Krise besonders gravierend auswirkte. Diese Widerstände hatten zur Folge, dass Somerset von der Regierung verdrängt, später gar hingerichtet wurde. Sein Nachfolger, John Dudley, Herzog von Northumberland, förderte gleichfalls die calvinistischen Einflüsse auf Dogma und Praxis der Kirche von England, ging dabei aber behutsamer vor. Da starb im Frühsommer 1553 der fünfzehnjährige König. Ihm folgte seine 37 Jahre alte Halbschwester Maria, die Tochter Katharinas von Aragonien. Vom Vater Heinrich VIII. schlecht behandelt, hatte sie ihren Trost im katholischen Glauben der Mutter gefunden. Als sie den Thron bestieg, fühlte sich Maria I. berufen, England nach den Jahren der Ketzerei wieder zur römischen Kirche zurückzuführen. Northumberland wurde hingerichtet, Erzbischof Cranmer von Canterbury verhaftet, die protestantischen Bischöfe entlassen, verheiratete Pfarrer aus dem Amt gejagt. Im November 1554 ließ Maria ein ihr gefügiges Parlament wählen, das den Papst wiederum als geistliches Oberhaupt anerkannte, falls die Säkularisierungen von Kirchengut der vergangenen zwanzig Jahre seitens der Kurie in Rom bestätigt würden. Gerade die Gentry, der Niederadel in Südengland, hatte sich am Klosterbesitz bereichert und wollte nichts von seinen Gütern zurückgeben. 1555 begannen im ganzen Land verschärfte Protestantenverfolgungen; standhafte Männer wie Erzbischof Cranmer bestiegen den Scheiterhaufen. Mit diesen Grausamkeiten wie mit der Beteiligung am Krieg Spaniens gegen Frankreich machte sich Maria die »Blutige« (Bloody Mary) bei den Untertanen verhasst. Kaum jemand in England trauerte, als sie Ende 1558 starb.

Als letzte Überlebende des Hauses Tudor bestieg nun ihre Halbschwester Elisabeth I. den Thron, die 1533 geborene Tochter der Anna Boleyn. Von einem trotz ihrer Jugend schon recht wechselhaften Schicksal zu Vorsicht und politischer Klugheit erzogen, nahm Elisabeth den von den Umständen geforderten Kurswechsel englischer Politik vor. Sie beendete den Krieg mit Frankreich und ordnete die aufgrund des vielfältigen Widerstandes gegen die Rekatholisierung völlig verwirrten Kirchenverhältnisse. Anknüpfend an die Maßnahmen ihres Vaters erließ sie schon im April 1559 zusammen mit dem neu gewählten Parlament eine erneuerte Suprematsakte. Obwohl der Monarch nun nicht mehr »Oberhaupt«, sondern »oberster Verwalter« (supreme governor) des Kirchenwesens genannt wurde, handelte es sich doch um eine Wiederherstellung des Zustandes der Zeit Heinrichs VIII. Die wieder gegründete anglikanische Staatskirche unterstand der Krone, die alle geistlichen Würdenträger ernannte. Lehre und Liturgie dieser Kirche unterlagen der Gesetzgebung des Parlaments, das sich in einigen dogmatischen Punkten, beispielsweise bei der Auffassung vom Heiligen Abendmahl, an Calvin anlehnte. Hingegen blieben die katholischen Verfassungsstrukturen in den Bistümern erhalten, altkirchliche Kultformen überlebten in der Liturgie, auch der Heiligenkalender galt weiter. Der Anglikanismus etablierte sich als Staatskonfession, die keinen Anspruch auf Geltung außerhalb des Königreichs England erhob, ein Kontrast zum konfessionellen Eroberungsdrang des Zeitalters. Allerdings verpflichtete der Gehorsam gegenüber der Krone alle englischen Untertanen, der anglikanischen Kirche anzugehören. Bei Verstößen gegen dieses Prinzip verfuhr Elisabeth aber zunächst vergleichsweise tolerant. Sie war selbst humanistisch erzogen und reich gebildet, konfessioneller Fanatismus lag ihr fern. Dennoch kam es unter ihrer Herrschaft zu einer Eskalation des Konflikts mit Rom, weil sich Papst Pius V. in englische Angelegenheiten einmischte, nachdem die Krone einen Aufstand katholischer Adliger niedergeschlagen hatte. 1570 exkommunizierte er Elisabeth als Ketzerin und »falsche Königin von England«, der alle aufrechten Untertanen den Gehorsam aufkündigen müssten. Rechtmäßige Herrscherin des Landes sei nämlich nicht die einer illegitimen, sündhaften Ehe entsprossene »Bastardin« Elisabeth, sondern die katholische Königin Maria Stuart von Schottland, eine Urenkelin Heinrichs VII. Tudor. Diese Einlassung des Papstes zeitigte unglückliche Folgen, zunächst für Maria Stuart, die sich seit ihrer Flucht 1568 vor dem rebellischen Adel Schottlands in englischem Gewahrsam befand. Die misstrauische Elisabeth verschärfte sofort die Haftbedingungen ihrer schottischen Cousine, in der sie eine ständige Bedrohung ihrer eigenen Herrschaft sehen musste. Erschwert wurde nach dem päpstlichen Missgriff aber auch das Überleben für die Angehörigen der katholischen Minderheit Englands, die als Gemeinschaft potenzieller Staatsfeinde nur noch im Untergrund existieren konnte. Auf dem Höhepunkt des Kampfes zwischen London und Rom litten die englischen Katholiken unter dem erbarmungslosen Terror der Obrigkeit, während Papst Gregor XIII. einen politischen Mord an Elisabeth für gerecht erklärte und ein päpstliches Heer nach Irland schickte, um dort einen Aufstand gegen die Engländer auszulösen. Die große Mehrheit des Volkes und das Parlament standen aber hinter der Königin, sodass sie im Laufe ihrer langen Regierungszeit bis 1603 zuletzt der konfessionellen Abweichler Herr werden konnte. Dazu bediente sie sich der 1583 geschaffenen High Commission, eines königliches Glaubenstribunals, das die Methoden der spanischen Inquisition übernahm.

England erobert das Meer

Der schwierigen Stabilisierung elisabethanischer Herrschaft im Inneren entsprach eine prekäre Stellung Englands zu seiner europäischen Umwelt. Der heftige Konflikt mit dem Papsttum konnte nicht ohne Auswirkung auf das Verhältnis zu den katholischen Mächten bleiben. Nach außen hin bemühte sich Elisabeth zwar um korrekte Beziehungen zu König Philipp II. von Spanien, dem mächtigen Verteidiger der alten Kirche, dessen Heiratsantrag sie ausgeschlagen hatte. Unter der Hand freilich förderte sie den Kampf gegen die spanische Hegemonie nach Kräften. So unterstützte sie insgeheim die niederländische Erhebung gegen Spanien und schloss 1585 sogar einen Beistandspakt mit den rebellischen Holländern. Im französischen Bürgerkrieg half sie den bedrängten Hugenotten, sei es auch nur, um das Kriegsfeuer beim alten festländischen Rivalen Frankreich nicht erlöschen zu lassen. Trotz trügerischer Freundlichkeit gegen den Hof in Madrid verstärkte England seine Nadelstiche gegen das spanische Weltreich, das es an seiner verwundbarsten Stelle traf, in der Neuen Welt. Das iberische Imperium, das sich 1580 auch Portugal einverleibte, beherrschte ganz Süd- und Mittelamerika. Von dort bezog es unermessliche Reichtümer. Ein Handelsmonopol schloss andere Nationen von den überseeischen Märkten aus. Feinheiten des Völkerrechtes hintansetzend, ließ Elisabeth die Vorstöße ihrer Seehelden Humphrey Gilbert, John Hawkins und Francis Drake in diese Räume zu.

Bei den Engländern berühmt und bei den Spaniern berüchtigt ist bis heute die Weltumsegelung Drakes von 1577 bis 1580, in deren Verlauf er die völlig ungeschützten Pazifikhäfen Spanisch-Amerikas zwischen Peru und Mexiko planmäßig ausplünderte. Selbst führende Berater Elisabeths wie Lord Burghley hatten gegen diese Raubaktion plädiert, weil sie Spanien zum Krieg reizen musste. Die Königin ließ ihren Piraten aber dennoch ziehen, und als er nach drei Jahren mit Beute schwer beladen wieder heimkehrte, schlug sie ihn noch an Bord seines Flaggschiffes »Golden Hind« zum Ritter. König Philipp musste seinen Zorn zügeln, da Spanien an zu vielen Fronten engagiert war, um sogleich zurückschlagen zu können. Dafür förderte sein Botschafter in London insgeheim Umsturzpläne gegen Elisabeth mit Geld und Waffen. Die Machenschaften zielten alle darauf ab, die gefangene Maria Stuart auf den englischen Thron zu heben, sobald dessen derzeitige Inhaberin aus dem Weg geräumt wäre. Die Schottin ließ sich zu ihrem eigenen Verderben bereitwillig in die Verschwörungen und Intrigen einspannen. Sie setzte die größten Hoffnungen in die von Anfang an zum Scheitern verurteilte Verschwörung des jungen Ritters Anthony Babington, der 1586 Elisabeth ermorden und Maria befreien wollte. Nach Verhaftung und Hinrichtung Babingtons verurteilte ein Sondergericht Maria Stuart ebenfalls zum Tode, da sie in das Komplott verwickelt war. Elisabeth hatte verständliche Scheu, das Urteil exekutieren zu lassen, zugleich wusste sie nur zu gut, dass der Tod Marias sie von einer schweren Sorge befreien würde. Nachdem der Kopf der Stuart am 8. Februar 1587 unter dem Beil des Henkers gefallen war, versuchte die Königin, sich vor der Öffentlichkeit und vielleicht auch vor dem eigenen Gewissen zu rechtfertigen, indem sie ihrem Sekretär Davison und dem Berater Burghley alle Schuld zuschob, doch wollte ihr niemand diese schäbige Ausrede glauben.

Nach dem Ende Marias, für deren Leben sich Philipp II. verwandt hatte, wurde der offene Krieg mit Spanien unvermeidlich, den der wiederum rastlos tätige Drake eröffnete, indem er eine spanische Flotte im Hafen von Cádiz vernichtete. Die Antwort Madrids war der Plan einer großen Invasion in England, um die ständigen Provokationen des Inselvolkes zu rächen. Im Sommer 1588 lief die »unbesiegbare« Armada, eine Flotte von 130 Schiffen, in den Atlantik aus. Sie sollte eine spanische Armee von den Niederlanden nach Britannien übersetzen, doch das ganze Unternehmen war schlecht vorbereitet, sodass hellsichtige Mitarbeiter Philipps II. bereits mit einem Fiasko rechneten. Kaum im Kanal angekommen, wurde die Armada auch schon von den Engländern überfallen und unter schweren Kämpfen in die Nordsee abgedrängt. Den Spaniern blieb nichts anderes übrig, als bei widrigsten Windverhältnissen um Schottland und Irland nach Hause zu segeln, wobei sie in der stürmischen See weitere Schiffe verloren. Diese Verluste waren schmerzhaft für Philipp II., der selbst höchste Erwartungen in die Unternehmung gesetzt hatte, aber sie stellten doch keine vernichtende Niederlage seiner Seemacht dar, wie die Engländer im Überschwang der Gefühle glauben wollten.

Das Reich der Feenkönigin

Dem Selbstbewusstsein der englischen Nation gab der Sieg über die Armada aber einen gewaltigen Auftrieb. Spätere britische Historiker sollten von der 1588 offenbarten Berufung des insularen Volkes zu maritimer Vormacht sprechen. Dem Drang Englands auf die Weltmeere fehlte unter Elisabeth I. aber noch die imperialistische Komponente künftiger Zeiten, vielmehr waren merkantile Interessen in dieser ersten Phase der Expansion bestimmend. Der allgemeine Wohlstand wuchs in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, wenn auch nicht so sehr dank redlicher Arbeit, sondern aufgrund erfolgreicher weltumspannender Raubzüge. Im Lande selbst veränderte sich die Gesellschaft. Die einstmals Mächtigen aus dem Hochadel, die Peers, fielen zurück, da sich bei ihnen allzu häufig zügellose Verschwendungssucht mit ökonomischem Ungeschick verband. Dagegen gewann der kleine Landadel, die Gentry, auf wirtschaftlichem wie politischem Feld immer mehr an Boden. Diese Herrschaften bestimmten das Geschehen im Unterhaus, sie beherrschten die grafschaftlichen Selbstverwaltungen und hatten so in ihren Countys fast uneingeschränkt das Sagen. Zielgerichtet hatte die Gentry während der Säkularisierungen unter Heinrich VIII. billiges Klosterland erworben, das sie zu ansehnlichen Besitzkomplexen zusammenschloss. Mit den »Einhegungen« (enclosures) verwandelten die Herren Ackerland in Weidegründe für die lukrative Schafzucht, wobei es sie wenig bekümmerte, dass damit der ländlichen Bevölkerung die Nahrungsgrundlage entzogen wurde. Die Folgen waren Verelendung und Landflucht. Dem Adel brachte der Wollexport aber kleine Vermögen ein, die er wieder Gewinn bringend in den Londoner Handelsgesellschaften investierte. Diese »ehrenwerten Kompanien« finanzierten die Piraterie eines Drake oder eines Hawkins. Bei erfolgreichen Kaperfahrten rentierten sich die Aufwendungen für Schiffe und Mannschaften oft mit einigen Tausend Prozent. Zum Teil floss das gewonnene Kapital in heimische Industrien wie den Schiffbau und die Tuchproduktion, die kräftig florierten.

Der einströmende Reichtum machte das ärmliche London des Mittelalters zu einer leuchtenden Metropole der Renaissance, von der aus der Glanz eines goldenen Zeitalters über das ganze Land strahlte. Nach der großen Königin heißt dieses Zeitalter zu Recht auch »Elisabethanisch«. Wenngleich die Zeitgenossen selbst vor allem vom Goldglanz der geraubten spanischen Dukaten geblendet waren, so lagen die unvergänglichen Leistungen der Engländer doch auf den Gebieten der Lyrik, der Musik und in erster Linie des Theaters. Der Humanismus, von dem Heinrich VIII. und Elisabeth I. auch persönlich geprägt waren, hatte den Boden ebenso bereitet wie die am Hof der Tudors eifrig rezipierte Kultur der italienischen Renaissance. Die Dramen eines William Shakespeare und seiner unbekannteren Zeitgenossen waren in ihrer Massenwirkung ein englisches Phänomen. London entwickelte sich zum Theatermittelpunkt Europas, wo die Mimen wöchentlich vor Tausenden von Zuschauern aus verschiedenen Gesellschaftsschichten agierten. Englische Schauspielertruppen reisten als gern gesehene Gäste durch den Kontinent, um dort in Darbietungen vor Adligen und Bürgern den Ruhm ihrer Bühnen zu verbreiten. Als Shakespeare 1616 starb, hatte sich das goldene Zeitalter des Theaters schon zum Ende geneigt, da unter Elisabeths Nachfolger Jakob I. die Puritaner den Ton angaben, geschworene Feinde der dramatischen Kunst, die sie für sinnbetörend und sündenfördernd hielten.

Nach Elisabeths Tod im März 1603 zeigte es sich, wie sehr dem Land ihre in unermüdlicher Selbststilisierung und von rastloser Propaganda glorifizierte Herrschergestalt fehlte. Obwohl das Königreich zu Beginn des neuen Jahrhunderts von Krise zu Krise taumelte, da der Adel wieder Anspruch auf die Regierung des Landes erhob, erfreute sich die Königin gerade in ihrem hohen Alter der Zuneigung des Volkes, das sie als feenartiges Wesen, als Fairy Queen, verehrte. Angesichts so vieler Gefahren und Bedrohungen vertrauten die Engländer erst recht der geliebten Virgin Queen, ihrer jungfräulichen Königin. Dieser Beiname traf insofern zu, als Elisabeth alle Heiratskandidaten vom Kontinent, die sich in London einstellten, verschmäht hatte und ehelos geblieben war. Ihre persönliche und ihre politische Freiheit wollte sie nicht verlieren. Damit gab sie dem Volk das Recht, sie als »Mutter Englands« zu lieben, wie sie auch von Dichtern besungen wurde. Den Schatten der hingerichteten Maria Stuart verscheuchte sie, indem sie deren Sohn Jakob ausdrücklich zu ihrem Nachfolger bestimmte. Seit 1603 herrschte der Stuart über Engländer und Schotten, was wesentlich zur Versöhnung der beiden verfeindeten Völker beitrug. Elisabeth hatte sich mit ihrem Volk identifiziert wie nur wenige Herrscher. England dankte es ihr mit wachsender Zuneigung zur Krone und aufblühendem Nationalstolz.
Autor:Robert Morten
Datum:Donnerstag, 2.August.2001, 19:25
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