Kain, biblische Symbolfigur des Brudermörders, der seine Missetat verübte, weil er an der Mißachtung seines Brandopfers durch den Schöpfergott Anstoß nahm und seinen Bruder Abel tötete, dessen Opfer »mit Wohlwollen« angenommen worden war (ohne daß im 1. Buch Mosis die Ursache dieser unterschiedlichen Bewertung der Opfergaben erklärt wird).
Der Brudermord unter den Söhnen von Adam und Eva wird in der mittelalterlichen Kunst oft zum Vorbild genommen, wobei Kain als Prototyp des jüdischen Volkes angesehen wurde, das den Erlöser tötete (ungeachtet der Tatsache, daß dieser selbst Jude war). Abel hingegen, das unschuldige Opfer, wurde als Prototyp Christi, »des guten Hirten«, angesehen. Kain muß ein »Umherirrender und ein Flüchtling auf der Erde« werden (vgl. Ahasver), darf jedoch nicht aus Rache getötet werden, denn das von Gott an ihm angebrachte »Kainszeichen« schützt ihn, und »östlich von Eden« wird er zum Stammvater schöpferischer Menschen, etwa von Tubalkain, dem ersten »Schmied jeder Art von Kupfer- und Eisenwerkzeugen« (1. Moses 17-23).
Ein für christliches Verständnis befremdlich wirkender Symbolmythos ist in dem gnostischen Text »Geheimschrift des Johannes« (Nag-Hammadi-Fund) enthalten. Danach zeugte Adam zwei Gestalten – Jave, das Bärengesicht, und Eloim, das Katzengesicht. »Das sind jene, die bei den Geschlechtern aller Menschen Kain und Abel heißen.« Ihre Namen sind die Gottesnamen des Alten Testaments, wobei Eloim als der Gerechte, Jave als der Ungerechte bezeichnet wird. Sie herrschen über die vier Elemente der Materie: Eloim über Feuer und Wind, Jave über Wasser und Erde. Lediglich der Adamssohn Seth vertritt in seinen Nachkommen die erlöste Menschheit, weshalb die Gnostiker dieser Richtung auch »Sethianer« genannt wurden. Kain wird als »Bärengesicht Jave«, als Regent der schwereren, mehr von Materie befleckten Elemente angesehen.
In dem mysteriösen Volks-Hexenkult der »Diana« soll lt. Leland im vorigen Jahrhundert auch der ruhelose Kain beschworen worden sein: »Ich beschwöre dich, o Kain, der du niemals Ruhe und Frieden finden wirst, bis du befreit sein wirst vom Mond, der dein Gefängnis ist, ich flehe dich an, laß mich mein Schicksal wissen.« (Kain scheint hier als »Mann im Mond« vorgestellt worden zu sein).