Genius (davon unser Begriff »Genie«), im alten Rom eine Art von spezieller übernatürlicher Wesenheit, die dem Menschen als persönlicher Schutzgeist – entsprechend dem christlichen »Schutzengel« – beigegeben war und ihn von der Wiege bis zum Grabe begleitete.
Die Genii erhielten häufig Weihealtäre und dürften ursprünglich die männliche Zeugungskraft repräsentiert haben. Der Kult der Hausgötter (Lares) hängt mit dem Genius-Bild zusammen und ist mit dem griechischen des persönlichen »Daimon« verwandt. In pompejanischen Hausaltären wird der Genius des Familienoberhauptes (Pater familias) als Schlange dargestellt. In der römischen Kaiserzeit entwickelte sich die Vorstellung, daß außer einzelnen Familien auch bestimmte Bauwerke und Städte einen eigenen übernatürlichen Schutzgeist (den »Genius loci«) besaßen.
In der Renaissance wurde der Genius zu einer Symbolfigur, die von bestimmten Personen beansprucht wurde, aber auch einzelne Eigenschaften repräsentierte.
In der Epoche der Hexenverfolgungen wurde den der Teufelsanbetung verdächtigten Personen ein satanisches Gegenstück zum »guten Genius«, der teuflische »Spiritus familiaris« in Tiergestalt, zugeschrieben, doch in den magischen Ritualen wurden »Familiare« auch unabhängig von einem Teufelsbündnis beschworen. Der Renaissance-Gelehrte Girolamo Cardano (Cardanus), 1501-1576, rühmte sich der Präsenz eines persönlichen Genius, der ihm das Studium der Fremdsprachen erleichterte und ihm einen übernatürlichen Glanz (vgl. Nimbus) vermittelte, von dem er sich lange Zeit hindurch umgeben fühlte.